Der Sartorial Talk im Salon Hartl in Prag war eigentlich für das Frühjahr 2020 geplant gewesen, doch einen Tag vor der Veranstaltung hatte die Tschechische Republik die Grenzen geschlossen. Ein paar Monate später, am 27. August 2020, wurde der Abend nachgeholt.
Nach den eher improvisierten Sartorial Talks in Berlin bei Korbinian Ludwig Heß in Berlin hatten die Gastgeber den Abend in Prag größer aufgezogen. Gedruckte Einladungskarten hatten auf meinen Besuch hingewiesen, ein kleines Büffet mit italienischen Antipasti und Wein erwartete die Besucher. Beginn war 17:00 Uhr und pünktlich erschienen die ersten Gäste. Der Großteil traf in den folgenden 30 Minuten ein und etwa um ein Viertel nach sechs begann ich meinen Vortrag über die Bespoke-Kultur im Allgemeinen und die Arbeitsweise des Salon Hartl im Besonderen. Hier einige Kernaussagen des Abends: Ich werde oft gefragt, wie man den Schneider für den ersten Versuch mit Maßarbeit finden soll.
Wenn z. B. eine kleine Änderung oder Reparatur nötig ist, dann hat der Schneider aus der Region einfach bessere Karten. Unzufriedenheit baut sich über Zeit und Distanz auf.
Im Idealfall gibt es einen Handwerker in der Nähe, vielleicht sogar in der eigenen Stadt. Wer in Prag wohnt oder Umgebung, könnte z. B. Salon Hartl in Erwägung ziehen. Ich selbst kenne dieses Atelier vom Namen nach seit zwanzig Jahren. Es hätte sogar sein können, dass ich schon 1999 Hartl-Kunde geworden wäre. Dies hat sich nicht ergeben, immerhin ist es aber ein interessantes Gedankenspiel. Ich besuchte Wien 1999 wegen TV-Aufnahmen für einen Beitrag über den Aufenthalt des gerade abgedankten König Edward VIII auf Schloss Enzesfeld.
Am Tag nach den Dreharbeiten traf ich in Wien Rudolf Niedersuesz, den Inhaber von Knize und kaufte dort eine Krawatte, die ich immer noch besitze und gern trage. Und ich besuchte Jungmann & Neffe und lernte Georg Gaugusch kennen. Er erklärte mir die Möglichkeit, bei ihm Schneider zu treffen, um die gekauften Stoffe gleich verarbeiten zu lassen. Soweit ich mich erinnere, erwähnte er auch Zdeněk Hartl. Ich war damals gerade Kunde bei Tobias Tobias in der Savile Row geworden und wenig interessiert an einem Wechsel. So kam es, dass ich erst 2019 erstmals bei Salon Hartl einen Anzug bestellt habe. Diesen Umweg müssen Sie nicht machen, wenn Sie in Prag wohnen oder in Wien, in beiden Städten können Sie Zdenek Hartl bequem für die Anproben treffen. Ein Schneider in der Nähe ist aus vielen Gründen eine gute Option. Man spart viel Zeit und Geld für Reisen. Und kleine Probleme bleiben kleine Probleme, erst durch weite Distanzen werden sie zum Ärgernis. Wenn z. B. eine kleine Änderung oder Reparatur nötig ist, dann hat der Schneider aus der Region einfach bessere Karten. Unzufriedenheit baut sich über Zeit und Distanz auf.
Auch ich hatte kurz vor meiner ersten Bestellung in der Savile Row einen Blazer bei Heinz-Josef Radermacher in Auftrag gegeben. Mir hatte das Atelier gefallen und der Rheinländer war mir sympathisch, vor allem reizte mich aber der Gedanke, dass ich schnell von Köln, meinem damaligen Wohnort, nach Düsseldorf zu den Anproben fahren konnte. Aus verschiedenen Gründen ist es damals bei der einen Bestellung geblieben und viele Jahre lang habe ich bei Schneidern im Ausland arbeiten lassen. Ich wohne nach wie vor nicht in Wien oder Prag, empfinde den Salon Hartl aber dennoch fast als regionalen Handwerker. Ich erreiche Prag mit dem Zug in etwa fünf Stunden. Salon Hartl kommt mehrmals pro Jahr nach Berlin und ich bin regelmäßig in Wien zu Besuch. Ein Schneider aus Italien, selbst wenn er im Norden ansässig ist, wäre schwieriger zu erreichen. Von den Mentalitätsunterschieden abgesehen.
Wenn man sich für einen Schneider entschieden hat, kommt es auf zwei Punkte an. Erstens: Man muss genau wissen, was man will. Zweitens: Man sollte es so genau wie möglich kommunizieren können. Schon der erste Punkt ist für viele Männer ein großes Problem. Sie wissen einfach nicht genau, was sie wollen. Sie können sich nicht für einen Stoff entscheiden, sind unsicher bei Wahl des Modells und ihren Wünschen in Bezug auf Passform und Tragegefühl. Man muss nicht wissen oder formulieren können, wie der Anzug im Detail gestaltet wird. Das darf man dem Schneider überlassen. Man sollte aber die Spezifikationen des Anzugs nennen können, also z. B. einreihig oder zweireihig, Zahl der Knöpfe, Taschenart und Schnitt der Hosen.
Erstens: Man muss genau wissen, was man will. Zweitens: Man sollte es so genau wie möglich kommunizieren können.
Viele junge Kunden, die sich sehr intensiv mit der Herrenschneiderei befassen, geben dem Schneider sehr detaillierte Angaben zur stilistischen Ausgestaltung des Kleidungsstücks mit auf dem Weg. Ich ziehe es vor, dem Schneider nur die äußere Form vorzugeben, denn ich möchte, dass seine Handschrift erkennbar ist. Als ich im letzten Jahr Zdenek Hartl bei Jungmann & Neffe getroffen habe, ging alles sehr schnell. Das Vermessen hat nur wenige Minuten gedauert, meine Angaben zur Form des Anzugs bestanden aus einer kleinen Bleistiftskizze: Dreiknopf-Front, zwei Seitentaschen und Brusttasche mit Patten, zwei Seitenschlitze, Hosen ohne Bundfalten mit Quertaschen. Ich bin damit sehr gut gefahren, die erste Anprobe hier in Prag war so gut, dass wir die zweite Anprobe weggelassen haben. Der fertige Anzug wurde mir ein paar Wochen später in Dresden übergeben und es stimmte alles.
Voraussetzung für den Erfolg ist natürlich, dass der ausgewählte Herrenschneider sein Handwerk versteht. Das ist leider nicht immer der Fall. Etablierte Schneidereien, bei denen der Chef selbst zuschneidet, liefern in aller Regel gute Ergebnisse. Wer lange im Geschäft ist und viele Kunden hat, kann nicht wirklich schlechte Arbeit liefern. Nichts gegen Neulinge und Anfänger – sie sind die Zukunft. Der Mangel an Erfahrung sollte sich meines Erachtens aber in einem etwas moderateren Preis niederschlagen. Das Maß an Routine ist allerdings nicht immer am Lebensalter des Schneiders oder der Schneiderin abzulesen.
Ein Quereinsteiger, der erst mit 25 zum dem Handwerk gekommen ist und danach neben Maßarbeit auch Maßkonfektion verkauft hat, kann mit 40 noch Anfängerstatus haben.
Viele Schneider habe ihre Lehre mit 16 begonnen, wenn sie danach ununterbrochen in einem Atelier mit vielen Kunden gearbeitet haben, können sie mit 40 schon sehr erfahren sein. Ein Quereinsteiger, der erst mit 25 zum dem Handwerk gekommen ist und danach neben Maßarbeit auch Maßkonfektion verkauft hat, kann mit 40 noch Anfängerstatus haben. Die Herrenschneiderei ist ein sehr schwieriges Handwerk. Sehr erfahrene Schneider betonen oft, dass jeder neue Kunde eine Herausforderung ist. Wenn der Kunde aber genau weiß, was er will und dies dem Schneider übermitteln kann, ist eine wichtige Voraussetzung für den guten Ausgang erfüllt.
Die Bilder wurden gemacht von Stimtim Production.