Die Stil-Ikone der Bespoke-Kultur
Verknautschter Borsalino, gewinnendes Lächeln, federnder Schritt. Die Kleidung immer nach Maß. Und derzeit 342.000 Follower auf Instagram. Die Kurzbeschreibung von Luca Rubinacci, Stil-Ikone der Bespoke-Kultur.

So, wie man ihn von seinen Instagram-Videos kennt, ist er wirklich: Strahlend, enthusiastisch, dynamisch. Und voller Geschichten. Aus seiner Praktikumszeit bei Kilgour in der Savile Row zum Beispiel, wo ihm sein Name keine Türen öffnete und er sich durch Leistung beweisen musste. Sein Vater hat ihn nach London geschickt, damit er, fern von Italien, auf eigenen Füßen zu stehen lernt.
Lehrjahre in der Savile Row
Die Savile Row war dafür der perfekte Ort, denn dort zählt nur die Savile-Row-Schneiderei. Seine Garderobe hat die Schneider dann aber doch ein wenig beeindruckt, erzählt Luca Rubinacci schmunzelnd. Sein Vater hatte ihn mit einer Grundausstattung versorgt: ein dunkelblauer Anzug, ein Tweedanzug, Sakko und Flanellhosen. Schnitt und Näharbeit haben den Briten Respekt abgenötigt.

Ursprünglich wollte sein Vater, dass er an einer Modehochschule studiert. Doch Luca wollte lieber die Maßschneiderei besser kennenlernen. Mit ihr war er in Neapel aufgewachsen, 45 Schneider arbeiteten im Atelier des väterlichen Betriebs. Dazu kamen zahlreiche Hemdenmacher. Luca wollte wissen, wie andere Schneider arbeiten.
Kilgour: Eine perfekte Wahl
Kilgour war eine perfekte Wahl. Ursprünglich hieß das Haus Kilgour, French & Stanbury, es war eine der besten Adressen der Savile Row. Fred und Louis Stanbury waren Ungarn, sie brachten die europäische Linie in die britische Firma ein, als sie von Kilgour gekauft wurden.
Fred Astaire ließ dort in den 1930er-Jahren Fräcke schneidern. Zu Luca Rubinaccis Zeit galt Kilgour immer noch als der eleganteste Schneider Londons. Typisch für seinen Stil war zum Beispiel, dass die Jacken der Anzüge keine Seitenschlitze haben, so wie es auf dem Kontinent früher üblich war.
Die Londoner Verbindung der Familie Rubinacci
Dass Luca Rubinacci nach London geschickt wurde, hatte auch noch einen zweiten Grund: Die Rubinaccis sind eng mit der britischen Hauptstadt verbunden. Privat und geschäftlich. Die Familie war an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert im Seidenhandel etabliert. Im Hafen von Neapel langten die Schiffe aus Indien an, beladen mit Seide für Mode und Inneneinrichtung.
Die Familie genoss großen Wohlstand, sie lebte auf einem Anwesen außerhalb der Stadt. Von dort aus unternahm der Herr des Hauses gelegentliche Reisen nach London, zum Beispiel um Spazierstöcke zu kaufen.



Gennaro Rubinacci: Vom Gentleman zum Schneider-Berater
Seinem Sohn Gennaro, geboren 1895, wäre es nie eingefallen, einer Arbeit nachzugehen. Geschweige denn, sich in der Modebranche zu betätigen. Gennaro war einfach ein Gentleman. Und der hatte nichts anderes zu tun, als gut zu leben.
Gennaro entwickelte einen äußerst verfeinerten Geschmack und wurde deshalb häufig von Freunden aus der Aristokratie gebeten, bei ihren Anproben als Berater zugegen zu sein. Natürlich rein auf freundschaftlicher Basis. Zu dieser Zeit gab es allein im feinen Chiaia-Viertel, in dem heute auch der Krawattenmacher E. Marinella zu finden ist, an die 400 Schneidereien. Wer etwas auf sich hielt, ließ dort nach Maß nähen.
Die Gründung des „London House“ 1932
Laut Familienlegende hatte Gennaro irgendwann in den 1920er-Jahren die Idee, seine Erfahrung im Umgang mit Schneidern und deren Kunden geschäftlich zu nutzen. Und so kam er schließlich doch in die Mode, als er 1932 sein „London House“ gründete.

England war damals noch bewunderte Modeweltmacht. Wenn ein italienisches Atelier etwas hermachen wollte, gab man dem Namen einen englischen Klang. Die Schneiderei hatte allerdings wenig mit dem zu tun, was in London damals genäht wurde. Die Anzüge von Rubinacci waren typisch neapolitanisch: weich, leicht und in der Silhouette an die natürlichen Körperformen angepasst.
Der Aufstieg zur internationalen Bekanntheit
Unter den reichen Capri-Urlaubern machte es die Runde, dass man sich in Gennaros London House unvergleichlich elegant einkleiden lassen konnte. Und so wurde mit der Kleidung die neapolitanische Auffassung von Schnitt und Verarbeitung in die ganze Welt getragen.
In den 1950er-Jahren, als mehr und mehr Amerikaner die italienische Eleganz für sich entdeckten, wurde die Maßkleidung von Rubinacci zum Luxus-Must-Have und ihre Macher zu international bekannten Botschaftern der „Sartoria Italiana“.
Mariano und Luca Rubinacci: Die Fortsetzung der Tradition
Mariano Rubinacci führte das Geschäft in den 1970er-Jahren weiter und wurde selbst zur viel fotografierten Stil-Ikone. Wie sein Vater ist auch Mariano selbst kein gelernter Herrenschneider, er leitete die Anproben wie ein Regisseur den Dreh eines Films. Genauso hält es sein Sohn Luca, der das Unternehmen in dritter Generation leitet.

Erweiterung um Konfektion und Accessoires
Als Creative Director ist es Luca Rubinacci sehr gut gelungen, die Herrenschneiderei durch Konfektion und Accessoires zu ergänzen. Als er seinem Vater die Idee erstmals vorsichtig vortrug, war der sofort einverstanden.
Allerdings unter einer Bedingung: Die Materialien müssen von höchster Qualität sein, koste es, was es wolle.
Für Luca Rubinacci sind Konfektion und Accessoires wie „Finger Food“. Während der Kunde auf seine Anprobe wartet oder nachdem er Stoff ausgesucht hat, kann er sich im übertragenen Sinne vom Büffet bedienen. Dem Bespoke-Teil des Geschäfts hat diese Ergänzung nie geschadet, weil die Bereiche komplett getrennt sind. Geschneidert wird bei Rubinacci noch genauso wie zu Gennaros Zeiten.

Die charakteristischen Merkmale des Rubinacci-Stils
Typische Merkmale des Rubinacci-Stils sind zum Beispiel die „Spalla alla Camicia“, der obere eingerollte Knopf bei der Dreiknopffront, das Halbfutter aus echter Seide, die geschwungene Leistentasche an der Brust oder, als Alternative, die aufgesetzte Tasche (genannt „Pignata“). Letztere ist oben schmaler als unten und sie wölbt sich fast ballonartig. So hat man genug Platz für ein effektvoll aufgepufftes Seidentuch.
Luca Rubinacci zeigt diese Details an Kleidungsstücken, die in Mailand auf Büsten den Maßsalon zieren. Diese Teile stammen teils von Kunden, die sie zur Verfügung gestellt haben, teils kommen sie aus der Familie. Einige sind mehrere Jahrzehnte alt. Was daran besticht, ist die Zeitlosigkeit. So ist zum Beispiel ein Dinnerjacket aus den 1920er-Jahren zu sehen, das man heute, so wie es ist, tragen könnte.
Zeitlosigkeit versus Zeitgeist
Die in London viel beschworene Zeitlosigkeit ist dort oftmals nur Legende. Viele Savile-Row-Schneider waren in den 1930er- bis 1970er-Jahren sehr am Zeitgeschmack orientiert. Bei Rubinacci kann man dagegen studieren, wie Maßkleidung wirklich über Jahrzehnte Bestand haben kann. Für Luca Rubinacci ist es normal, dass Kunden Teile nach 20 Jahren zum Ausbessern vorbeibringen.

Leichte Verarbeitung für alle Jahreszeiten
Die leichte Verarbeitung wird bei Rubinacci gleichermaßen bei leichten wie schweren Stoffen angewendet. Denn im Winter kann es in den alten Häusern Neapels, die oft keine Heizung haben, recht frisch sein. Deshalb sind in Neapel zu dieser Jahreszeit ältere Herren in Sakkos aus schwerem Tweed, Whipcord, Donegal oder Saxony ein normaler Anblick.
Die Leinenanzug-Spezialität
Leinenanzüge sind eine weitere Spezialität des Hauses Rubinacci. Die Firmenhistorie weiß von einem Kunden zu berichten, der sich für jeden Sommer ein Dutzend neuer Leinenanzüge machen ließ. Sie waren so verarbeitet, dass sie gewaschen werden konnten. Der Kunde, ein Graf aus alter neapolitanischer Familie, konnte so jeden Morgen einen frisch gewaschenen und von seinem Diener eben gebügelten Leinenanzug anziehen.
Konfektion von höchster Qualität
Wer keine Zeit für Schneiderarbeit hat, kann bei Rubinacci von der Stange kaufen. Gefertigt ist alles in Italien, die Verarbeitungsqualität ist von höchstem Niveau. Im Angebot sind neben der klassischen Garderobe rund um Anzug, Sakko, Mantel und Hosen auch smarte Casual-Teile.
Die meisten Stoffe, die im Regal liegen, werden exklusiv für das Haus gewebt. Am liebsten in Großbritannien. Auch bei Luxusstoffen wie Kaschmir ist die britische Provenienz bei Italienern sehr wichtig. Die internationale Kundschaft, die bei Rubinacci einen hohen Anteil ausmacht, bevorzugt oftmals italienische Ware.



Die Vintage Collection
Über die Jahrzehnte haben sich im Lager der Schneiderei viele Stoffe angesammelt, Luca Rubinacci spricht von 60.000 Metern, die abrufbar sind. Sie waren für Maßanfertigungen gedacht, es werden daraus aber auch regelmäßig Teile für die Konfektionskollektion geschneidert, die als „Vintage Collection“ vermarktet wird.

