Binder und Bespoke – Interview mit Benedikt Fries, Inhaber von Shibumi

Ich hatte die Gelegenheit, Benedikt Fries zum Interview in Berlin zu treffen. Dabei erzählte er viel über sein Label und gab Einblicke in seine persönliche Bespoke-Philosophie.

Feine Herr: Herr Fries, setzt den Fall, jemand kennt Ihre Marke nicht. Wie würden Sie Shibumi beschreiben?

Benedikt Fries: Eine klassische Herrenmarke, hauptsächlich für Krawatten, mit klassischen Designs. Aber mit einem kleinen modernen Twist. Insbesondere was die Farbkombinationen betrifft.

Was bedeutet Shibumi?

Shibumi ist ein japanisches Ästhetikkonzept, das soviel bedeutet wie „zurückhaltende Eleganz“. Das wird in Japan auf alles übertragen, selbst auf Essen oder Musik. Etwas, das so gut im Detail ist, dass es Leute ergreift. Es ist „eyecatchy“, aber nie laut oder schrill. Ich habe darüber gelesen und fand es perfekt, der Begriff beschreibt genau das, was ich machen wollte.

Seit wann gibt es Shibumi?

Seit ziemlich genau elf Jahren.

War es von Anfang an als Online-Shop konzipiert?

Ja, absolut. Online war damals aber noch ziemlich in den Kinderschuhen. Corona hat den Online-Markt extrem gepusht, heute gibt es alles online.

Wie würden Sie den Stil Ihrer Krawatten beschreiben?

Italienisch mit japanischem Einfluss. Japan ist mein Lieblingsland und bei Farben und Mustern sind wir sehr japanisch. Zum Beispiel die riesigen Blockstreifen, die niemand in Italien kauft.

Was haben Sie persönlich mit Japan zu tun?

Ich war so fasziniert von dem Begriff Shibumi, dass ich anfing, alles darüber zu lesen. Schließlich bin ich sogar nach Japan gereist und bin dort insgesamt 8 Jahre lang geblieben. Nicht ununterbrochen, aber immer den Großteil des Jahres. Ich konnte von da aus ja ohne Probleme mein Geschäft betreiben, weil es ja online war. In Japan habe ich auch meine Frau kennengelernt.

Mit wie vielen Krawatten haben Sie vor elf Jahren angefangen?

Mit etwa 20 Krawatten, jetzt gibt es bei uns 450. Nach Krawatten und Einstecktüchern verkaufen wir Hosenträger und Strümpfe am meisten. Wir verkaufen wirklich sehr viele Strümpfe. Wir sind übrigens einer der wenigen, die ihre eigenen Designs weben lassen. Die meisten suchen sich die Seide bei den Webern aus. Ich zeichne die Designs mehr und mehr selbst.

Wo lassen sie weben?

Früher haben wir überwiegend Seide aus Como verwendet und wir machen da auch immer noch extrem viel. Seit Anfang dieses Jahres lassen wir Regimentsstreifen in Kyoto weben. Es gibt genau eine Manufaktur, die so etwas macht. Ich habe mich unheimlich gefreut, so eine Manufaktur dort zu finden, weil ich Japan so liebe. Qualitativ ist die Seide sogar besser. Sie glänzt etwas weniger, die Jacquards sind nicht so steif und fassen sich softer an. Auch bei den Motiven lasse ich mich von Japan inspirieren, wir machen z. B. Einstecktücher mit Ukiyo-e-Motiven oder aus Vintage-Kimono-Seide.

Tragen Sie immer Krawatte?

Ja, fast immer. Vielleicht liegt das daran, dass ich ein Stadtmensch bin. Ich fahre auch im Urlaub immer in Städte.

Die Kleidung, die Sie tragen, ist immer maßgeschneidert?

Ja, aus Neapel. Bis auf die Schuhe, die Strümpfe und die Unterwäsche. Heute trage ich zwar Maßschuhe, das ist aber die Ausnahme. Die Strümpfe sind die, die wir auch verkaufen. Sie werden im Norden Italiens gemacht.

Sie tragen überwiegend Anzüge?

Ja. Extrem viel in dunkelgrau oder dunkelblau. Ich mag Einreiher und Zweireiher gleich gern. Manchmal bestelle ich beides, Einreiher und Zweireiher in fast identischen Stoffen. Ich trage nur sehr selten eine Kombination.

Wie gehen Sie vor beim Bestellen?

Ich bestelle nie etwas, was ich schon habe. Es muss Sinn machen, wenn ich etwas bestelle. Ich darf nicht genau das Gleiche schon haben. Es wird bei mir nur ein bisschen tricky, weil ich genauso gerne Einreiher und Zweireiher trage. Deshalb will ich oft Sachen als Einreiher und als Zweireiher haben. Es muss dann aber immer noch ein anderer Ton sein.Der Stoff muss schwerer sein oder leichter. Ich brauche irgendeinen Grund, damit ich das vor mir selbst rechtfertigen kann. In der Regel bestelle ich so 6 bis 8 Teile pro Jahr. 80 Prozent Anzüge, 20 Prozent Sportsakkos.

Worauf achten Sie vor allem bei einem Maßanzug?

Wie er aussieht. Ich gehe nicht danach, wie ordentlich das Knopfloch genäht ist. In Neapel ist die Arbeit im Detail manchmal nicht 100 Prozent genau. Aber das finde ich nicht so wichtig. Bei Bespoke ist ja selten alles perfekt. Die Menschen machen sich im Grunde falsche Vorstellungen von der ganzen Sache. Dass sie sich ihren Traum vom Anzug erfüllen können. Ich erlebe sehr oft, dass auch Schneider, die schon sehr oft für mich gearbeitet haben, kleine Fehler machen. Ich bestelle meine Sakkos z. B. nach neapolitanischer Manier immer mit einem Knopf am Ärmelabschluss. Und die Anzüge mit zwei Knöpfen. Das wird so oft ignoriert. Überhaupt werden bei Bespoke viele Details nicht so gemacht, wie man sie bestellt. Man lernt mit der Zeit, dass es überhaupt nicht so ist bei Bespoke, dass alles so gemacht wird, wie man es will. Damit muss man einfach leben.

Haben Sie Hinweise für Bespoke-Anfänger?

Anfänger neigen dazu, viel zu viele eigene Wünsche zu formulieren. Meiner Meinung nach sollte man die Handwerker im Großen und Ganzen einfach machen lassen. Wenn ich zu einem deutschen Schneider gehe und dem ein Bild eines Rubinacci-Anzugs zeige: So soll mein Anzug aussehen. Dann hat der erstmal keine Lust darauf, den so zu machen. Und wenn er sagt, dass er es probieren will, dann hat er keine Praxis darin, den Anzug anders zu machen, als er es normalerweise macht. Und dann wird es nichts.

Wir ist Ihre Erfahrung in Bezug auf die Passform bei den italienischen Schneidern?

Bei allen Schneidern, bei denen ich zum ersten Mal einen Anzug bestellt habe, waren bei der ersten Anprobe die Hosen zu eng. Inzwischen lasse ich die Anzüge einfach kopieren. Ich habe inzwischen ganz viel Bespoke, das ich komplett ohne Anprobe machen lasse. Weil ich da seit Jahren bestelle. Man stellt sich das am Anfang ja so romantisch vor, wie schwierig das alles ist. Aber es ist keine Raketenwissenschaft. Wenn das Schnittmuster steht und man seinen Körperbau nicht großartig verändert, dann kann man das auch einfach kopieren. Ich habe manchmal sogar den Eindruck, dass es einfacher ist, den Anzug zu kopieren, als die Anproben zu machen. Bei den Anproben wird dann doch gedacht, dass etwas verändert werden muss. Oft ist es nicht so gut, wenn das erste Sakko schon sehr gelungen ist. Weil er dann beim zweiten Sakko denkt, dass irgendwas gemacht werden muss, und dann wird es tendenziell eher schlechter.

Haben Sie sich schon immer so gekleidet?

Nein, als Jugendlicher ganz anders. Aber ich habe mich immer schon sehr dafür interessiert, wie ich mich anziehe.

Angeblich trägt niemand mehr Krawatte. Wie sehen Sie das?

Ja, es stimmt, es wird weniger Krawatte getragen. Gleichzeitig ist der Anteil der Leute, die ein Faible für die Krawatte haben, größer geworden. Die Standardkrawatte ist zurückgegangen, der Anteil hochwertiger Krawatten ist gewachsen. Es gibt einfach mehr Krawatten-Nerds als vor 15 Jahren.

Welche Krawatten sollte jeder im Schrank haben?

Dunkelblaue Grenadine. Bedruckte Krawatte in Bordeaux. Ein oder zwei dunkelgrüne und dunkelblaue Krawatten mit Streifen.

Wie stehen Sie zu Strickkrawatten?

Ist nicht unter den Top-Five aber unter den ersten 10.

Wie setzt man Wollkrawatten am besten ein?

Die passt eher zur Kombination. Ich finde sie aber super und wünsche mir mehr Mut dazu. Bedruckte Wolle kann man auch zum Anzug tragen. Wollkrawatten aus Anzugstoffen sind eher lässig.

Vielen Dank für dieses Gespräch.