Es wird immer Kunden für die Klassiker geben — Ein Interview mit James Fox, Marketing-Chef bei Crockett & Jones

Es gibt nur wenige Marken im Bereich der klassischen Herrenmode, die eine so einhellige Zustimmung finden wie Crockett & Jones. Schuhfans wie Mitbewerber sind sich einig, dass der Hersteller aus Northampton, der immer noch im Familienbesitz ist, ein hervorragendes Produkt macht. Früher vor allem für andere Labels, heute überwiegend unter der Marke Crockett & Jones. Marketingchef James Fox spricht im exklusiven Interview über Hintergründe und Ursachen des Erfolgs. 

Bernhard Roetzel: Zuerst die Frage: Wie steht es bei Ihnen in Hinblick auf die Coronakrise?

James Fox: Die Gesundheit unserer Kunden und der Mitarbeiter stehen weiterhin an erster Stelle in dieser herausfordernden Zeit. Wegen des andauernden Ausbruchs von Covid-19 haben wir die wichtige Entscheidung getroffen, alle unsere Läden sowie die Fabrik und die Büros der Zentrale zu schließen. Einige essentielle Mitarbeiter kommen zur Arbeit, um das Unternehmen durch diese schwierige Zeit zu steuern. Die geschäftliche Situation ist schwierig und wechselt täglich. Unsere Direktoren arbeiten sich gerade durch die verfügbaren Informationen und analysieren die Hilfsprogramme, die von der Regierung angeboten werden. Diese hat zum Glück endlich erkannt, dass die Mitarbeiter beschäftigt bleiben müssen und dass die Arbeitgeber Unterstützung brauchen. Da ist sie anderen Ländern Europas gefolgt. Wir sind ja ein Privatunternehmen, dadurch können wir schnell entscheiden und alles binnen Tagen oder sogar Stunden umsetzen. Das wird uns dabei helfen, wieder anzufangen, sobald die Sonne wieder scheint. 

C & J ist einer der berühmtesten und angesehensten Schuhhersteller aus Northampton. Schlägt sich ihr Ruf in Ihrem Marktanteil nieder? 

Ja, das würde ich sagen. Obwohl man das Ansehen einer Marke schwer quantifizieren kann. Die meisten wissen nicht, dass wir zehnmal so viel produzieren wir einige unserer Kollegen. Andere sehen unsere Marke und denken, dass die Produktion zehnmal so groß ist, wie sie ist. Von dem, was wir von unseren Großhandelskunden, den Verkäufern in unseren Läden und den Endverbrauchern hören, scheint unsere Strategie aufzugehen, also zu versuchen, hochwertige rahmengenähte Schuhe zu einem angemessenen Preis anzubieten. Mit angemessen meine ich unser Preis-Leistungsverhältnis. Um unsere Materialqualität und Passform zu bekommen, müssten Sie bei anderen Anbietern tatsächlich den doppelten Ladenpreis bezahlen. Ich sage das so direkt, weil wir das genauso so von sehr vielen Kunden hören und es der Kern unserer Strategie ist. Und das schlägt sich natürlich in einem guten Marktanteil nieder, der in den letzten 20 Jahren stark gewachsen ist. Unser Stück des Kuchens ist größer geworden, allerdings war der Kuchen nie kleiner als heute. 

Was unterscheidet Sie also von den Wettbewerbern?

Die Wertigkeit unserer Produkte. Den langanhaltenden und tief verwurzelten Respekt, den die Endverbraucher für unsere Produkte empfinden. Unsere Leisten. Der Schnitt unserer Schäfte. Unser Kundendienst. Ach ja, und wir haben Jonathan Jones!

Es scheint, dass spanische Hersteller an Bedeutung gewinnen. Stimmt das? Und wenn ja, ist das ein Problem für Sie?

Es stimmt in gewisser Weise, obwohl ich nicht von Bedeutung sprechen würde. Sie sind sicherlich weit im Markt verbreitet. Spanische Hersteller machen gute Schuhe. Sie machen auch viele Schuhe. Wenn man von Bedeutung spricht, muss man sich die Wurzeln der Eiche ansehen und nicht die Äste. Bedeutung kommt denen zu, die die Grundlagen für die Schuhherstellung nach Goodyear-Methode gelegt haben. Die diese Methode entwickelt und angenommen haben; die die bekannten, ikonischen Schuhmodelle kreiert haben, die wir heute verkaufen. Ich meine die Spitze der englischen und amerikanischen Hersteller, die unserer Meinung nach die meisten Modelle inspiriert haben, die aus Spanien kommen. Die hochangesehen Hersteller aus England und Nordamerika sind weiter ganz oben auf der Rangliste, sie sind die Wurzeln der Schuhindustrie. Dankenswerter Weise waren unsere Vorväter nicht nur unglaublich gute Schuhmacher, sondern auch exzellente Geschäftsleute. 

Ein Großteil des Wachstums der spanischen Hersteller, das wir in letzter Zeit beobachten, liegt wohl an ihrer übergroßen Verfügbarkeit im Online-Handel und der Explosion kleiner Startup-Marken, die sich Hersteller wie Church’s, C&J oder John Lobb höchstwahrscheinlich zum Vorbild nehmen. Diese Marken können es sich nicht leisten, ihre Schuhe in England produzieren zu lassen, deshalb sind sie gezwungen, Kompromisse bei der Qualität zu machen, um im Budget zu bleiben. Die Inhaber sind Kunden englischer oder amerikanischer Goodyear-Hersteller, die vom Zuwachs beim Verkauf rahmengenähter Schuhe profitieren wollen und deshalb auf den Zug aufspringen. Oder diese Marken gehören Leute, die wahrscheinlich und hoffentlich eine Leidenschaft für rahmengenähte Schuhe haben. Einige dieser Marken sind in Skandinavien ansässig und sie haben ohne Zweifel die Verkäufe in dieser Region beeinflusst. 

Global war das alles sehr positiv für die Branche insgesamt, weil viele dieser Marken im Internet sehr versiert sind. Besser, ein Kunde liest über rahmengenähte Schuhe und trägt dann ein Paar, das von einer Spanierin oder einem Spanier gefertigt worden ist statt geklebte Schuhe aus der Massenproduktion, in der die Schuhe in riesigen Mengen rausgehauen werden. Dieser Kunde wird vielleicht einen englischen Hersteller für seinen zweiten oder dritten Kauf wählen. 

Mich stört nur, wenn einige dieser Marken davon sprechen, dass sie die Zwischenhändler weglassen. Diese Aussage untergräbt die jahrzehntelangen Bemühungen, den Kunden zu informieren und ihm guten Service zu bieten. Wenn man kein Hersteller ist, kann man Zwischenhändler nicht weglassen. Ein Einzelhändler, ob er nun einen stationären Laden betreibt oder einen Onlineshop, ist grundsätzlich ein Zwischenhändler, nämlich der zwischen Hersteller und Kunden. Der Großhändler ist einfach nur ein Zwischenhändler mehr, der in unserer Branche für langfristige und zufriedene Kunden sorgt. Ohne das weltweite Großhandelsnetzwerk der Einzelhändler hätte das Top-Genre des Schuhhandels nur einen Bruchteil seiner Größe. Die Neulinge sollten sich das besser klarmachen. Hersteller, die es zulassen, dass die reinen Online-Händler sich in dieser aggressiven Weise vermarkten, schaden am Ende ihrem Händlernetz und sich selbst. 

Crockett & Jones Chiltern

Wie viele Paar Schuhe machen Sie pro Jahr?

Crockett & Jones Produktionszahlen liegen regelmäßig bei über 100.000 Paaren pro Jahr.

Das ist eine beeindruckende Zahl. Wie sichern Sie da die Qualität?

Dafür sorgen gut geschulte Arbeitskräfte und ein gewissenhaftes Produktions-Management-Team. Wir sind bei unseren Lieferanten sehr respektiert, wodurch sichergestellt ist, dass wir regelmäßig die hochwertigen Komponenten bekommen, die wir in dem achtwöchigen Produktionsprozess benötigen. Die Oberleder sind dabei das Wichtigste. 

Worin besteht der Unterschied zwischen der Standard-Kollektion und der „Hand Grade Collection“?

Hauptsächlich aus zwei Wochen… kleine Unterschiede setzen die beiden Kollektionen voneinander ab. Diese Unterschiede machen die Schuhe der Hand-Grade-Kollektion zu einigen der hochwertigen Konfektionsschuhe, die heute aus England kommen.

Ist das Private-Label-Geschäft wichtig für Sie?

Jedes Geschäft ist wichtig für uns. Die Produktion für andere und unter anderem Markennamen ist allerdings auf dem niedrigsten Stand, den wir in unserer Geschichte hatten. Das liegt hauptsächlich am Wachstum der Marke Crockett & Jones. Jonathan Jones hatte in den frühen 90ern entschieden, die Produktion unserer eigenen Marke zu forcieren. Ende dieses Jahrzehnts haben wir unseren ersten Flagshop-Store in der Jermyn Street eröffnet, Londons berühmtester Straße der Herrenmode. Seitdem sind aus dieser Entscheidung 14 Geschäfte geworden und unser erster Laden läuft immer noch sehr gut. Der Rückgang des Private-Label-Geschäfts hat aber auch damit zu tun, dass viele Marken verschwunden sind oder aber entschieden haben, ein billigeres Produkt anzubieten, um ihre Marge zu erhöhen. Es ist uns aber nicht erklärlich, wie Einzelhändler im Zeitalter des Internets, in der Firmen äußerst transparent sind, entscheiden können, ihr Heil in der Massenproduktion zu suchen und gleichzeitig die Verkaufspreise zu erhöhen. Verrückt! Aber das passiert, wenn man Produktleute aus einer Branche entfernt, in dem das Produkt im Mittelpunkt steht. 

Sie sind berühmt für rahmengenähte Schuhe. Limitiert diese Machart ihre Möglichkeiten? 

In gewisser Weise. Wir ziehen es aber vor, uns auf rahmengenähte Schuhe zu spezialisieren und uns darauf zu konzentrieren, dabei so gut wie möglich zu sein. Wir wollen, dass Kunden zu uns zurückkommen und noch ein Paar kaufen, weil das erste so verdammt gut war, dass sie einfach nicht anders können, als noch eins zu kaufen. 

Wir haben momentan noch die Cash-Reserven, in andere Produktbereiche und sogar Herstellungsmethoden zu expandieren, von denen wir einige früher verwendet haben. Es würde jedoch das Mantra wegnehmen, nach dem unser Managing Director sein Schiff steuert: Hohe Qualität herzustellen. Hervorragend sitzende, rahmengenähte Schuhe, die dem Kunden einen hohen Gegenwert bieten. 

Man soll niemals nie sagen, niemand weiß, was die Zukunft bringt. Das merken wir gerade mehr denn je. Im Moment geht es uns gut damit, dass wir keine Zuwächse durch ausgeweitete und überwiegend unwichtige Produktgruppen suchen. Das ist auch nicht nachhaltig. Wir haben lieber die größte Kollektion rahmengenähter Schuhe! New Balance bietet keine Schuhe nach Goodyear-Machart an, warum sollten wir versuchen, Sneakers zu machen?

Einige italienische Hersteller verwenden andere Macharten, um Schuhe zu produzieren, die rahmengenäht aussehen. Was ist der Vorteil der Goodyear-Methode im Vergleich zu Blake?

Rahmengenähte Schuhe halten länger, bleiben besser in Form und sie sind vollständig reparierbar. Es hat schon seinen Grund, dass nach Blake-Machart gebaute Schuhe günstiger sind. Auch wenn sie als die bequmere Variante verkauft werden, ist ein leichter, ungefütterter Goodyear-Schuh so bequem, wie ein Schuh sein kann, der kein Sneaker oder Hausschuhe ist. Wir ziehen den Look und das Tragegefühl des Goodyear-Schuhs vor. Wenn Sie das nächste Mal im Schuhgeschäft sind, sollten Sie mal ein Modell von beider Machart in die Hand nehmen und mir dann sagen, in welches Sie ihr Geld investieren würden. Ich weiß jedenfalls, wofür ich es ausgeben würde. 

Im späten 19. Jahrhundert waren das Nähen und das Holznageln die einzigen bekannten Herstellungsmethoden, das Kleben kam viel später. Hat sich die Goodyear-Machart in den letzten Jahrzehnten verändert oder verbessert? 

Nicht wirklich. Die Materialien einiger weniger Komponenten wurden weiterentwickelt. Die Goodyear-Methode hat sich bewährt. Die wichtigsten Entwicklungen sind die Einführung flexibler Gummisohlen, die bei uns „city sole“ heißen. Und die Nachfrage nach ungefütterten Modellen ist gestiegen. Sie müssen unbedingt unsere ungefütterten Rauleder-Loafer mit „city sole“ probieren. Sobald es wärmer als 15 Grad ist lebe ich gewissermaßen in diesen Schuhen. Und nein, der Fuß wird nicht warm durch die Gummisohle. 

Crockett & Jones Coniston

C & J ist ja auch selbst Händler mit eigenen Geschäften und online. War das je ein Problem für die Schuhhändler, die Sie beliefern?

In den Anfangstagen gab es da Interessenkonflikte. Unsere Großhandelskunden haben aber schnell verstanden, dass wir alle in der gleichen Mannschaft spielen, wir repräsentieren alle dieselbe Marke. Die Bekanntheit der Marke ist durch unsere Läden in den letzten 20 Jahren stärker gewachsen als durch jede Werbung, die wir vor dem Start unserer Webseite 2011 geschaltet haben und danach durch die Social Media. Unser Gewinn ist beim Online-Handel sehr gering, weil wir das ein Versandgeschäft ist. Solange unsere Preisstrategie korrekt ist, ist der Konflikt mit dem Handel minimal. Neuen Kunden empfehlen wir immer, wenn möglich einen Schuhhändler in der Nähe aufsuchen.

Der Veganismus ist eine wachsende Bewegung. Werden vergane rahmengenähte Schuhe anbieten?

Nicht für unsere Einzelhandelskollektion, wir haben aber schon früher mit dieser Idee gespielt. In Skandinavien ist der Veganismus weit verbreitet, deshalb haben wir für unseren dortigen Distributeur Schuhe gemacht, die komplett aus pflanzlich gegerbten Materielien bestehen. Das ist für uns kein Wachstumsbereich, den wir verfolgen wollen, obwohl es ein interessantes Projekt ist. 

Welche Trends sehen kurzfristig und langfristig?

Stiefel. Loafer. Klassiker mit Gummisohle. Ungefütterte Modelle. Hervorragende Passform und Bequemlichkeit. 

 Wie können Sie junge Leute für Ihre Art von Schuhen gewinnen?

Sehr interessante Frage, die man als Thema für eine Doktorarbeit verwenden könnte. 

Wir glauben, dass es immer einen Kunden für die Klassiker der Herrenmode geben wird. Und wenn es auch immer weniger förmlich zugeht, wird es weiterhin einen Platz für rahmengenähte Schuhe geben. Die Schuhe, die wir als Ikonen dieses Genres bezeichnen, haben zu viele historische Bezüge, um vergessen oder übersehen zu werden. Und Modelle wie die ungefütterten Loafer oder Chukkaboots aus Rauleder sind zu bequem, um nicht auf der Erfolgswelle des smarten Casual-Looks mitreiten zu können. 

Da wir unseren Produkten treu bleiben und die Kollektionen nicht stark verändern, erzeugen wir Zutrauen und Treue bei unseren Kunden. Die sorgen für gute Mundpropaganda. Wir profitieren von diesem Patek-Philip-Ding – der Vater gibt sein Wissen über gutes Schuhwerk an seine Söhne und Töchter weiter. Wobei wir dringend empfehlen, dass man seine Schuhe nicht weitergibt und die neue Generation sich auch neue Schuhe kauft. 

Der Preis ist ein wichtiger Punkt. Man kann unsere Schuhe für 370 Pfund erleben, viele Kunden sehen das als hervorragende Investition. Gemessen an unserer Qualität ist das ein ein unglaublicher Preis. Ich habe immer noch Schuhe, die ich vor 10 Jahren gekauft habe. In der Zeit habe ich sie einmal neu besohlen lassen für 100 Pfund und sehr oft geputzt, wenn ich das auf 10 Jahre umrechne, sind das 50 Pfund pro Jahr bei einem Paar für 400 Pfund. 

Natürlich versuchen wir die jungen Leute auch durch unser Marketing zu überzeugen. Wir haben eine sehr interessante Webseite, gute Beziehungen zu unseren Medienpartnern und wir stecken viel Arbeit in immer neuen Content. Die Beiträge unserer Gastautoren, zu denen Sie ja auch gehören, sind sehr erfolgreich.