Interview mit dem Maßschuhmacher Wayman Bespoke

Für Kunden, die zu weit vom Maßschuhmacher entfernt wohnen, bieten viele Handwerker Trunkshows an. Wayman Bespoke will die Maßschuhfans dagegen online erreichen. Wie das funktioniert, erklärt uns Simon Wegmann, der Gründer der Schuhmacherei, im Interview.

Fotograf: Volodymyr Duda

Wie sind Sie auf die Idee für dieses Konzept gekommen?
Ich habe relativ komisch geformte, schmale Füße mit einem sehr niedrigen Spann. Dies erschwert mir schon mein ganzes Leben das Finden passender Schuhe und macht den Kauf von klassischen Lederschuhen von der Stange für mich unmöglich. Nachdem ich ein weiteres Mal von der Verkaufsdame im Schuhgeschäft in einen drei Nummern zu kleinen Schuh gesteckt wurde, bei dem meine Zehnen sich einrollten, damit die Schnürung meinen Fuß griff, entschied ich, dass dies nicht die Lösung sein konnte. Gute Maßschuhmacher sind in Deutschland selten und wie viele das sicher kennen — wenn man sich einmal mit einem Thema auseinandersetzt, dann will man dann nur noch das Beste. Man träumt von eleganten englischen, japanischen und französischen Maßschuhen. Jedoch waren diese Schuhmacher nicht nur preislich für mich unerreichbar, sondern ganz einfach auch durch ihre Lage für mich keine Option. Denn das Reisen für die Maßnahme und weitere Anproben kostet nicht nur Geld sondern auch viel Zeit und Mühe. Damals war mir schnell bewusst, dass ich nicht der Einzige mit diesem Problem bin und suchte nach einem Modell, bei dem ich einfach selbst Maße nehme, diese einem Schuhmacher schicke und der fertige Schuh an meine Haustüre geliefert wird. Ich war überrascht, dass es dieses Modell nicht gab und auch keiner der Schuhmacher, die ich kontaktierte, bereit war so ein Projekt mit mir anzugehen. Je tiefer ich mich jedoch selbst mit dem Thema befasste, desto mehr erkannte ich hier eine Marktlücke, für die eine Umsetzung meines Erachtens recht einfach sein sollte. Dies war damals, vor allem rückblickend, sicherlich sehr naiv gedacht und es hat von dem Zeitpunkt der Idee bis zur erfolgreichen Umsetzung beinahe zwei einhalb Jahre gedauert. Dann jedoch den ersten wirklich passenden Schuh auf meinem persönlichen Leisten, vollständig handgemacht, an meinem Fuß zu haben, war ein unglaubliches Gefühl für mich und ich werde täglich durch zufriedene Kunden in meinem Vorhaben bestätigt.

Was war bei der Entwicklung und Gründung die größte Hürde?
Wäre mein persönlicher Wunsch nach passenden Schuhen und meine Passion für das Thema nicht so groß gewesen, hätte ich bei der Entwicklung des Programms sicher an mehreren Stellen aufgegeben. Die Konzeption des Maßnehmens durch den Kunden, die Erstellung von Leisten mit kontinuierlich erfolgreichen Ergebnissen auf Distanz hat alles in allem fast zwei einhalb Jahr gedauert. Darüber hinaus, war es eine große Herausforderung, eine Werkstatt zu finden, die sich einem solchen doch sehr ambitionierten Projekt annehmen wollte und mit gleicher Leidenschaft an meine Idee glaubte. Ich kontaktiere über die Jahre mehr als 200 bis 300 Schuhmacher, Leistenmacher und Fabriken mit vielen Testexemplaren, von denen ebensoviele missglückten. Jedoch lernte ich in dieser intensiven Zeit, durch gute Gespräche, viele Fragen und neu gewonnene Freunde, viel über die Materie und erhielt großartige Hilfe und Unterstützung.

Wo waren in der Anfangsphase die größten Schwachstellen? Eher beim Vermessen? Oder bei der Anprobe der Schuhe?
Eine Lösung für eine erfolgreiche Vermessung mit stetiger Qualität der Basisdaten war durch die Ausarbeitung des systematisierten Leitfadens und zugehörigem Video zum Maßnehmen schnell gefunden. Hier werden ebenfalls die klassischen Maße, die auch ein normaler Maßschuhmacher nutzt, zur Hand genommen, nur stärker konzeptualisiert und vereinfacht. Die große Schwierigkeit bestand vielmehr darin, aus diesen Maßen einen Leisten zu machen, der auch passt. Mit steigender Erfahrung, die natürlich nur über die Zeit und viele Tests kam, konnte ich dann ein System entwicklen, welches die Fußmaße automatisiert in die Daten für die Leistenerstellung umwandelt. Hier verwenden wir inzwischen eine Mischung aus 3D Technologie sowie Handarbeit, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Durch Probeschuhe, die aus Überschussmaterialien und einfach verklebten Sohlen bestehen, ist zusätzlich sichergestellt, dass keine Fehler passieren und es werden so lange Anpassungen am Leisten vorgenommen bis ich und der Kunde mit Passform und Aussehen zufrieden sind.

Wie sind die Grundformen der Maßleisten entstanden? Ihre Schuhe haben ja, wie alle Maßschuhe, einen bestimmten Look.
Das Aussehen eines Leistens hängt zum einen von den Füßen ab, auf dessen Maßen dieser basiert, und zum anderen von der rein ästhetischen Leistenspitze. Da die Maße durch den Kunden gegeben sind, kann sich also jeder Kunden für seinen Schuh eine Zehenform aussuchen. Hier habe ich mich von Beginn an auf drei Formen beschränkt, die prinzipielle alles abdecken sollten, was Mann braucht und natürlich zusätzlich immer noch individuell angepasst und verändert werden können. Bei meinem kantig zulaufenden „Chiseled Square“ wie auch der sehr eleganten runden und etwas schmal zulaufenden Zehenspitze „modern round“ habe ich mich sicherlich von japanischen und französischen Schuhmachern inspirieren lassen, jedoch versucht die Schuhe, bzw. Leisten nicht zu spitz und lang wirken zu lassen, was meinem eigenen Geschmack entspricht. Diese Zehenformen sind vor allem bei meinen US-amerikanischen sowie asiatischen Kunden sehr beliebt. Der Europäer und vor allem Deutsche, greift meist lieber zu meinem klassisch, runden Leisten, dem „classic round“, der etwas mehr Volumen und Substanz hat und eher an Englische Leistenformen erinnert.

Können Sie etwas über die Werkstatt erzählen?
Wie bereits zuvor angeschnitten, war das Finden der Werkstatt eine der größten Herausforderungen für mich. Mir war es von Anfang an egal, in welchem Land die Schuhe gefertigt werden. Die Materialien beschaffe ich ohnehin selbst in Europa und den USA bei bekannten Gerbereien. Heute zählt für mich viel mehr das Wie, als das Wo. Ziel war es eine Werkstatt zu finden, die meinen qualitativen Ansprüchen an einen handgemachten Schuh gerecht werden würde, zusätzlich flexibel genug ist, um (fast) jedem Kundenwunsch nachzukommen und auch langfristig mit mir würde wachsen können. Letztendlich kam ich durch einen Kontakt und eine Empfehlung zu meiner Werkstatt in Shanghai, wo teilweise in England und Italien ausgebildete Schuhmacher mit mit viel Leidenschaft und Ambition Schuhe per Hand fertigen. Hier implementierte ich für die bereits großartigen Schuhe, neue Standards, ließ neue Werkzeuge fertigen und änderte einige Komponenten im Aufbau. So konnte ich die Herstellung auf ein Level heben, das meinen eignen Anforderungen an Maßschuhen entspricht und sich auf der Weltbühne nicht verstecken muss. Natürlich stellt der Fakt, dass ich in Deutschland lebe und meine Fertigung in Shanghai ist, eine Herausforderung dar, jedoch habe ich vor Ort eine Assistentin, die mir täglich Updates gibt und Qualitätskontrollen durchführt. So können Fristen und Standards eingehalten werden, ohne dass es Probleme gibt. Die finale Qualitätskontrolle findet ohnehin immer durch mich in Frankfurt statt, bevor der Schuh an den Kunden ausgeliefert wird.

Welches Schuhmodell ist am beliebtesten?
Ein klares Schuhmodell, welches am beliebtesten ist, lässt sich kaum erkennen. Viele Erstkunden bestellen nach wie vor recht konservativ einen dunklen Oxford aus Glattleder und werden erst bei darauffolgenden Modellen etwas ausgefallener. Dies sind vor allem Kunden, die bisher große Probleme mit der Passform bei Schuhen von der Stange hatten und nun ihre Schuhkollektion von Grund auf bei mir aufbauen. Auf den Oxford folgen jedoch meist sehr schnell legerere Modelle, wie Norweger oder Loafer, was sicherlich zu, aktuellen Trend in der Arbeits- und Modewelt passt. Auf der anderen Seite nutzen viele Kunden die Option ein eigenes Design zu entwerfen und lieben mein Programm eher für die kreative Freiheit ihren Traumschuh zu erstellen.

Wie individuell kann der Kunde den Schuh gestalten?
Die Bestellung eines Schuhs beginnt in der Regel mit dem Modell. Hier kann eines unserer vielen Hausdesigns gewählt werden, welches prinzipiell alle klassischen und bekannten Modelle abdeckt. Vom Adelaide Oxford, über Tassel Loafer bis hin zum Balmoral Boot. Zusätzlich biete ich den Service, ein individuelles Design zu entwickeln, bei dem den Ideen des Kunden keine Grenzen gesetzt sind. Diese Option wird gerne genutzt, wenn Kunden ein bestimmtes Design im Kopf haben, dieses von der Stange jedoch nicht finden können. Großen Einfluss auf das Aussehen des Schuhs hat zusätzlich die Zehenform, die ebenfalls frei bestimmt werden kann. Eine große Auswahl an diversen Kalbs-, Velours und genarbten Ledern in vielen Farben versteht sich von selbst. Zusätzlich kann der Absatz sowie die Sohle in Art, Form und Farbe individuell bestimmt werden. So gibt es neben dem klassisch geraden, zwei für Maßschuhe typische, leicht angewinkelte Absätze zur Auswahl und die Sohle kann als sogenannte „beveled waist“, das heißt schmal und leicht gewölbt oder als „fiddle waist“, das heißt etwas kantiger zulaufende Taille konfiguriert werden, wodurch das Fußgewölbe stärker unterstützt wird. Perfekt passende Schuhspanner, die auf dem Maßleisten basieren, sowie die Sohle schützende Metallkappen oder Gummi Topper, sowie Messing Initialen auf der Sohle, können gegen Aufpreis mit bestellt werden.

Was empfehlen Sie Kunden, die das erste Mal bei Ihnen ordern?
Viele raten beim ersten Maßschuh zu einem schwarzen Oxford als Basis für eine klassische Herrenausstattung. Ich persönlich würde jedoch immer empfehlen, den Schuh zu nehmen, aus dem man den meisten Nutzen ziehen kann, da man hier am meisten von einer guten Passform profitieren kann. Gerade heute ist dies in nur sehr seltenen Fällen noch der schwarze Oxford und viel häufiger der legere Loafer, Derby oder Chukka Boot aus Velours- oder genarbtem Leder, der sich bequem zur sportlichen Kombination und am besten sogar zu Jeans tragen lässt. Der erste Schuh ist eine sehr individuelle Entscheidung und muss zum Lebens- wie auch Kleidungsstil des Kunden passen, weshalb ich jeden Kunden gerne persönlich, wenn auch nur per E-Mail, Chat oder Telefonat, berate. Der persönliche Kontakt ist mir persönlich sehr wichtig und ich würde deshalb jedem Kunden empfehlen vor einer Bestellung eine Beratung zu vereinbaren.

In Deutchland kann man ihre Schuhe auch persönlich bei Trunkshows vermessen lassen. Ist das für das Ergebnis ein Unterschied?
Ich arbeite erst seit kurzem mit Trunkshows und habe meine Schuhe für die meiste Zeit exklusiv online angeboten. Aus der kurzen Erfahrung, die ich sammeln konnte, ist das Ergebnis beim Maßnehmen nicht signifikant unterschiedlich. Selbstverständlich ist es jedoch für einige Kunden deutlich komfortabler nicht selbst Maß zu nehmen und der persönliche Kontakt mit Schuhenthusiasten bereitet mir immer viel Freude. Viel wichtiger als das Maßnehmen selbst, ist die Anprobe und Anpassung des ersten Probeschuhs. Hier ist es für mich definitiv leichter die Passform zu prüfen, wenn ich die Anprobe in Person durchführen kann und den Schuh am Fuß anfassen, in Bewegung sehen und sogar aufschneiden kann. Dies auf Distanz zu tun funktioniert zwar ebenso gut, bedarf aber in vielen Punkten die Einschätzung des Kunden, um kritische Punkte zu aufzudecken.