Kein Schuhmacher in Deutschland ist so angesehen wie Benjamin Klemann und das bei Schuhfans und Kollegen gleichermaßen. Wir haben ihn in Hamburg besucht. Manchmal braucht es für eine Reise keinen Flug und keine Zugfahrt. Manchmal reichen nur ein paar Gehminuten. Wenn man am Johannes-Brahms-Platz steht, dann ist das unverwechselbar Hamburg. Laeiszhalle, Wallanlagen – mehr Hamburg geht nicht. Und nur ein paar Gehminuten entfernt liegen Italien und England. Genauer gesagt in der Poolstraße 9 im Geschäft des Maßschuhmachers Benjamin Klemann in der Hamburger Neustadt. Sobald man durch die rechte der beiden Türen eingetreten ist, sie hinter sich zugezogen hat, fühlt man sich wie in einer florentinischen Maßschuhmacherei. Oder wie in St. James’s in London. Der Duft nach Leder, die spiegelblank polierten Kappen der Musterschuhe im Regal. Die roten Wände mit den gerahmten Zeichnungen und Erinnerungsfotos. Nur Benjamin Klemann steht eindeutig wieder in Hamburg.
1959 ist Benjamin Klemann auf der Nordseeinsel Föhr zur Welt gekommen, nach Abitur und Zivildienst entschied er sich für eine Schuhmacherlehre. Eine große Auswahl an Ausbildungsbetrieben gab es damals nicht, Benjamin Klemann fand den denkbar besten Lehrherrn – Julius Harai. Der gebürtige Ungar hatte 1947, also nur zwei Jahre nach Kriegsende, nördlich von Hamburg in Neumünster eine Schuhmanufaktur eröffnet, zu ihren Kunden zählten in den 1980ern zahlreiche deutsche Industrielle, Politiker und Künstler. Bei Harai hat Benjamin Klemann drei Jahre lang die Kunst der ungarischen Schuhmacherei erlernt, nach Abschluss der Lehre hat er dort noch ein Jahr lang als Geselle gearbeitet.
Danach zog es ihn in die Welt hinaus, deshalb bewarb er sich kurzerhand bei John Lobb, Londons berühmtester Werkstatt, weltbekannt als „König der Schuhmacher und Schuhmacher der Könige“. Die Arbeitsproben überzeugten die Engländer, er wurde gebeten, sofort nach London zu kommen. Mit einer eilig zusammengekauften Handwerksausrüstung und seiner kleinen Familie zog er 1986 nach England und arbeitete dort bis 1989 als freischaffender Schuhmacher. Zu seinen Kunden zählten neben John Lobb auch Foster & Son, New & Lingwood, Alan McAfee und George Cleverly, also die besten Firmen des Westend. Als Benjamin Klemann 1989 nach Deutschland zurückging und vor den Toren Hamburgs auf Gut Basthorst eine Werkstatt unter seinem Namen eröffnete, war er handwerklich breit aufgestellt.
17 Jahre blieb das Gut Basthorst die Heimat der Werkstatt, in diesen Jahren hat Benjamin Klemann seinen Kundenstamm aufgebaut und seinen Ruf erworben. Fast jeder, der schon einmal in Deutschland über Maßschuhe nachgedacht hat, hat Benjamin Klemann wenigstens erwogen, wenn er nicht bei ihm hat arbeiten lassen. Was nicht heißt, dass er nur Kunden aus Deutschland mit Schuhen ausstattet, seine Arbeit wird in vielen Ländern geschätzt. Neben Benjamin Klemann arbeiten in der Werkstatt auch seine Frau, die 1997 den Meistertitel erworben hat, außerdem die Söhne Lennert und Vincent. Klemann Shoes ist also ein Familienbetrieb im wahren Wortsinn. Der inzwischen in Hamburg ansässig ist, „in den eigenen vier Wänden“, wie es auf der Homepage der Schuhmacherei heißt. Der Laden in der Hansestadt hat sich als Anlaufpunkt für Kunden, Interessierte, Fans und Journalisten etabliert, wer etwas über Maßschuhe wissen möchte, ist in der Poolstraße 9 willkommen.
Die stilistische Bandbreite der gezeigten Modelle spiegelt die Vita des Schuhmachers Benjamin Klemann wider. Vom soliden Budapester über filigrane Oxfords oder Loafer bis zum soliden Wanderschuh ist alles zu haben. Außerdem Modelle Derby-Schuhe, Modelle mit Schnallen, Stiefel, Hausschuhe oder Abendschuhe. Und natürlich sind Modelle immer nur Schaustücke, die Mehrzahl der bei Klemann Shoes gebauten Schuhe sind mit den Kunden irgendwo auf der Welt unterwegs oder ruhen in deren Schuhschränken. Wer Benjamin Klemann kennenlernen möchte, muss nicht unbedingt nach Hamburg, auch wenn der Besuch in dem Laden ein Erlebnis ist – der Schuhmacher ist regelmäßig bei Hotelshows in Deutschland unterwegs.