Ladage & Oelke in Hamburg — Nie weg. Aber wieder richtig da.

Der Hamburger Ausstatter beliefert seine Kundschaft seit 1845 mit hochwertiger, zeitloser Kleidung. Damals wurden die Anzeigen des Hauses noch mit „Englisches Kleidermagazin“ überschrieben. Anglophil ist der Stil dort nach wie vor, doch lange nicht mehr so konservativ wie früher. Anlässlich des Einzugs in die neuen Geschäftsräume haben wir mit Geschäftsführerin Selma Wegmann gesprochen.

Feine Herr: Ladage & Oelke ist angekommen. Was ist das für ein Gefühl nach dieser langen Umzugsphase?

Selma Wegmann: Manchmal wundern wir uns über uns selbst, wie wir innerhalb von anderthalb Jahren ganze zweieinhalb Umzüge gemeistert haben. Zwei davon innerhalb der Corona-Krise. Es fühlt sich gut an, endlich angekommen zu sein. Auch wenn natürlich hier und da Dinge in unserer neuen Heimat am Alten Wall 22 noch fehlen und die Nachbarschaft erst langsam wächst sind wir schon ein bisschen stolz so ein ungewöhnliches Zuhause zu haben. Wir freuen uns über den Blick auf Rathaus und Alsterfleet und über viel Platz im Geschäft, immerhin rund 200 qm mehr als am Neuen Wall. Wenn dann noch die Espressomaschine zischt und man das für uns so charakteristische „knarzen“ der gusseisernen Sakkoauszüge hört, dann passt das schon. 

Wie würden Sie jemandem den neuen Laden beschreiben, der noch keine Bilder gesehen hat?

Einzigartig – mit warmer Atmosphäre durch viel Eichenholz und Messingakzente, zwei typische „Ladage & Oelke-Werkstoffe“ und einer Kombination historischer Elemente unserer Geschichte und moderner Architektur. 

Schön ist es zu sehen, dass die Architektur der Treppe dazu einlädt ins obere Galeriegeschoss zu gehen und dadurch die Verbindung vom Entrée mit Casualwear und Café im Erdgeschoss zum 500 m2 großen Herzstück unseres englischen Kleidermagazins im Obergeschoss funktioniert mit all den schönen Produkten für die wir seit jeher stehen. Das war die vielleicht größte Aufgabenstellung bei dem Objekt. 

Wie kommt der neue Laden an bei den Kunden?

Wir haben sehr viel positives Feedback erhalten, durch alle Altersgruppen hinweg. Was für uns durchaus ungewöhnlich ist, denn dank der teilweise sehr langen Verbundenheit unserer Kunden zu unserem Hause hat natürlich auch jeder sein mehr oder weniger strenges Bild wie unser Geschäft zu sein hat — und wie nicht. War für einige die Interimsfläche in den Großen Bleichen zu modern und kalt und für andere die alte Fläche am Neuen Wall zu „rummelig“ und verstaubt, so scheint bei dieser Fläche die Kombination aus alt und neu gelungen zu sein.

Was sind die wichtigsten Neuerungen bei Interieur und Sortiment?

Beim Interieur haben wir eigentlich streng genommen gar nicht soviel anders gemacht. Wir haben gemeinsam mit unseren Planern vom Hamburger Design Studio BFGF Dinge vielmehr in einen neuen Kontext gesetzt und ergänzt oder auf die neue Fläche zugeschnitten. So bildet unsere historische Schaufensterrückwand vom Neuen Wall nun die Trennung von Einzelhandel und Cafébereich. Die Eichenschränke, die bei uns seit jeher mit Sakkos, Anzügen und Mänteln gefüllt sind, wurden vom Konzept her wiederaufgenommen. Nur mit klareren Linien und ohne künstliche Verschnörkelung. An unseren früheren Möbeln wurden die übrigens erst nach dem Brand 1989 hinzugefügt als eine Art „Historismus“. 

Wunderschön anzusehen sind die hinterleuchteten Cupolles über der Treppe oder in den Umkleiden, handgefertigt in Frankreich. Und natürlich die über drei Stockwerke gehende Spiegelwand an der Treppe. Schottlandliebhabern fällt vielleicht auf den zweiten Blick auf, dass die Eichen- und Messingleisten einen Tartan-Rapport wiedergeben.

Neu ist der „Gentlemen’s Parlor“ im Galeriegeschoss. Dort ist nicht nur englische Wäsche von Derek Rose zu finden, in deren Herrenpyjamas sich schon Lauren Bacall rekelte, neben modernen Frotteebademänteln und englischen Pflegeprodukten von Captain Fawcett aus Kent oder Noble Isle. Es schwingt nach Terminvereinbarung auch ein Herrenfriseur die Schere. Und natürlich unser hauseigenes Café im Erdgeschoss, wo man unter unserem alten Ladenschild aus den Alsterarakaden  frisch gebrühten Kaffee und leckeren Kuchen aus der Hamburger Mutterland Bäckere genießen kann. Das alte Ladenschild hat übrigens nach wie vor einen sichtbarem Sprung im Glas aus der Brandnacht von Sylvester 1989.

Extern bringt die starke Verbundenheit der Kunden, oft gewachsen über Generationen, die Herausforderung mit sich, auf die aktuellen Anforderungen des Marktes zu reagieren und gleichzeitig die Wurzeln nicht zu verlieren. Man muss glaubwürdig bleiben und sich authentisch weiterentwickeln.

Selma Wegmann

An Marken ist eigentlich gar nicht soviel neues dazugekommen. Wir haben eher Sortimente bestehender Herstellern ausgeweitet, wie bei den wunderbaren Mänteln von Chrysalis, das Sortiment von Drake’s oder DAKS. Außerdem findet man bei uns die neuen Jacken der Barbour Gold Standard-Linie, handzugeschnitten in South Shields und nur bei vier Händlern in Deutschland erhältlich. Frisch dazugekommen zusätzlich die Raw Denim Jeans von Blackhorse Lane, genäht in London aus japanischem Kurabo Denim und Merino-Strick von John Smedley. Außerdem natürlich weiterhin eine schöne Auswahl rahmengenähter Schuhe von Crockett & Jones, Alden und Carmina und Schätze englischer Marken wie Peregrine, Private White und Turnbull & Asser.

Ladage & Oelke ist bei vielen Hamburger Familien seit Generationen Teil des Lebens. Auch Sie sind mit dieser Tradition aufgewachsen. Ist die lange Firmengeschichte manchmal eine Last für Sie als Unternehmerin?

Natürlich ist so eine lange Tradition nicht immer nur positiv und birgt auch einige Klippen, die es immer wieder zu umschiffen gilt. 

Intern darf man die Fähigkeit nicht verlieren möglichst objektiv auf die Entwicklungen zu schauen, Prozesse und Entscheidungen immer wieder zu überprüfen. Dinge nicht zu hinterfragen nur weil sie mitunter seit Jahrzehnten so gemacht, birgt ein großes Gefahrenpotential Entwicklungen zu verschlafen und in eine gewisse Betriebsblindheit zu verfallen. Als ich nach der Kinderpause 2013 wieder ins Unternehmen zurückgekommen bin war wohl der häufigste Satz den ich gehört habe „Das haben wir immer schon so gemacht“. Warum wusste häufig niemand mehr. Alte Zöpfe auch mal abzuschneiden ist natürlich besonders bei alten Unternehmen nicht einfach und eher unbeliebt. Gerade in Familienunternehmen sind da schnell viele Emotionen und Eitelkeiten im Spiel. 

Extern bringt die starke Verbundenheit der Kunden, oft gewachsen über Generationen, die Herausforderung mit sich, auf die aktuellen Anforderungen des Marktes zu reagieren und gleichzeitig die Wurzeln nicht zu verlieren. Man muss glaubwürdig bleiben und sich authentisch weiterentwickeln. Wenn wir beispielsweise im neuen Geschäft nur Glas und Marmor verbaut hätten und unsere Produkte über Touch Screens erklären und anbieten würden hätte uns dies die Mehrheit unserer Kunden wohl nicht abgenommen. Oft wird auch kundenseitig vergessen, dass wir keine Insel sind und nur ein kleinerer lokaler Einzelhändler, der Entwicklungen beispielsweise auf Herstellerseite nicht oder nur wenig beeinflussen kann. Und dass der Kaschmirschal nicht mehr denselben Preise hat wie vor zwanzig Jahren. 

Aber es überwiegt der Stolz über diese einzigartige Verbundenheit mit unseren Kunden und der Hansestadt. So haben wir zum 175. Geburtstag selbstgemachte Marmelade von Stammkunden bekommen, inklusive besonderem Jubiläums-Etikett oder es startet bald eine Ausstellung über den „Rappoltschen Frack“ im Museum für Hamburgische Geschichte, einen Frack den wir in den späten 1930er Jahren für einen Hamburger Kunden jüdischer Konfession kurz vor seiner Flucht vor den Nationalsozialisten genäht hatten und den die Enkelin kürzlich dem Museum gestiftet hat. Das ist schon etwas Besonderes und mehr als „nur“ Bekleidungshändler zu sein.

Was sind Ihre persönlichen Lieblingsklassiker von Ladage & Oelke?

Mein Lieblingsklassiker ist der Peacoat in Navy. Ich mag den voluminösen Kragen, das schwere Wolltuch mit ganz leichtem Glanz — ich hatte irgendwie schon immer eine Schwäche für zweireihige Jacken. Eine ordentliche Prise Hafenstadt und Fernweh inklusive. Mit unserem Dufflecoat stand ich ehrlich gesagt seit Jahrzehnten „auf Kriegsfuß“, vielleicht aber nicht verwunderlich wenn man als Kind jeden Winter vom Großvater ins Geschäft geschleppt wurde um einen neuen angefertigt zu bekommen. In dem Mantel war ich dann unter meinen Freundinnen in den 1980er/90ern doch modisch sehr allein auf weiter Flur und träumte eher von einer Levis-Jeansjacke. Mittlerweile habe ich wieder einen und meinen Frieden mit dem wohl bekanntesten Stück unseres Hauses gemacht. In Kombination mit gelben Pumps übrigens erstaunlich wandelbar.

Wir sind gerade in der ersten Woche des so genannten „Lockdown Light“. Wie erleben Sie ihn bisher?

Für uns ist es ehrlich gesagt eher kein Lockdown light, auch wenn wir diesmal die Türen geöffnet haben dürfen. Die Innenstadt ist leer und erneut sind alle, die es irgendwie können, im Homeoffice und nahezu alles um uns herum geschlossen: Museen, Restaurants, Theater, Kinos, die großen Hotels. Die allgemeine Lage hebt natürlich auch nicht unbedingt die Einkaufslaune und die Leute bleiben eher in den Stadtteilen in denen Sie wohnen und haben einen wesentlich kleineren Radius. Dies ist ja auch so gewollt. Es gibt jedenfalls momentan kaum einen Ort mit mehr Platz und Raum als die Hamburger Innenstadt. Für uns Händler natürlich gleich doppelt problematisch, wir halten die Stellung, die Kosten laufen normal weiter und das extrem wichtige Weihnachtsgeschäft steht in den Startlöchern und in der Stadt gehen im übertragenen Sinn komplett die Lichter aus. Hilfspakete, wenn sie denn so umgesetzt werden wie angekündigt und vor allem zeitnah, helfen unserer Branche da wenig. Die Regale sind voll und viele Händler müssen die Kosten der Ware erst erwirtschaften – und haben sich kaum vom ersten Lockdown und seinen Folgen erholt geschweige denn ein nennenswertes Polster aufbauen können.

Wie sehen Sie im Lichte von Corona das Thema Online-Shop?

Im Bereich der Digitalisierung lag bei uns der Fokus vor allem auf den Prozessen hinter den Kulissen. Als ich vor sieben Jahren zusammen mit meinem Mann Thomas eingestiegen bin steckten die – sagen wir es charmant – sehr in den Kinderschuhen. Hier haben wir sehr viel getan und investiert, z. B. in unsere Warenwirtschaft, Kassensysteme, Zeiterfassung. Damals haben wir uns auch intensiv mit dem Thema klassischer Onlineshop beschäftigt und sind zu dem Schluss gekommen, dass er für ein kleines Unternehmen wie Ladage & Oelke nicht wirklich gewinnbringend funktioniert. Unsere Kernkompetenz ist die Beratung, die ist online trotz Videotools und Maßtutorials zum kundenseitigen Aufmaß zu Hause immer noch schwer zu leisten und bindet viel kostenintensive Manpower. 

Viele unserer Produkte sind zudem nicht beliebig skalierbar, da sie zum Beispiel aus limitierten Stoffen gefertigt werden oder es gibt Partner, die uns untersagen ihre Produkte online zu verkaufen. Was ich verständlich finde und ein Trend ist, der sich gerade im Premium-Bereich verstärkt. Die großen Marken werden das Geschäft zunehmend selber machen als Ressourcen in die weniger profitable Belieferung anderer Händler zu stecken – und damit auch auf Marge zu verzichten. Um einen gut funktionierenden Shop zu betreiben muss man vor allem erstmal gefunden werden und entsprechend lange und viel ins SEO-Marketing investieren. Immer im Wettlauf mit den Großen wie Amazon, Zalando und Co. Dies alles bei hohen Retourenqouten in unseren Kernbereichen der Konfektion. Von der Komponente Klima versus Paketversand und der „letzten Meile“ bis zur Haustür des Kunden mal abgesehen. 

Aber abseits des klassischen Onlineshops gibt es durchaus ein Projekt, woran wir hinter den Kulissen seit Längerem arbeiten, was aber durch den Bau und die Umzüge in Verzug geraten ist und momentan auch aufgrund der noch andauernden Coronakrise keinen Sinn macht. Wir haben kurzfristig während des ersten Shutdown im März/April unsere Präsenz auf Ebay reaktiviert, die wir seit 2015 immer sporadisch für den Abverkauf von Samples oder Restanten vergangener Kollektionen nutzen. Dies haben wir aber nie an die große Glocke gehängt und nur unsere Stammkunden darauf hingewiesen. Mittlerweile gehen die Pakete über diesen Kanal schon mal nach Island, Kanada oder China. Dank der Ebay-Reichweite.

Was jedoch auch für uns immer wichtiger wird, gerade in dieser besonderen Zeit, ist die Kommunikation und der Kontakt mit unseren Kunden über Social Media und unseren Newsletter. Da erhalten wir mittlerweile ganz guten Response und Conversions. Online ist also insgesamt ein sehr wichtiges Thema und hier haben wir, nach dem erfolgreichen Umzug, nun einige Hausaufgaben vor der Brust. Erstmal ist unsere Webpräsenz dringend erneuerungsbedürftig.

Businessanzüge und festliche Garderoben verkaufen sich im Moment sehr schlecht, das liest man jedenfalls in der Fachpresse. Wie ist das bei Ihnen?

Im Vergleich zum Vorjahr verkaufen auch wir weniger an klassischer Konfektion wie Sakko, Anzug oder Gesellschaftskleidung. Wobei der Anzug ja bereits seit Jahren abgelöst wird durch sportivere Kombinationen. Allerdings waren wir erstaunt, dass unser Maßschneider Herr Arnold trotzdem immer noch ein gut gefülltes Terminbuch hatte und weiter z.B.  im „feinen Zwirn“ geheiratet wurde, wenn auch im kleineren Kreis. Was uns nun fehlen wird sind die Silvestergalas, Bälle und norddeutsche Traditionsveranstaltungen wie das Matthiae-Mahl und die Bremer Schaffermahlzeit. Alles Anlässe für Smoking, Frack & Co.

Glauben Sie, dass sich die Bekleidungsgewohnheiten langfristig ändern werden wegen Corona? Also auch über ein hoffentlich baldiges Ende der Pandemie hinaus?

Das ist eine schwierige Frage. Einerseits wird sich sicherlich der Business-Dresscode in einigen Branchen weiter lockern, auch weil weiter vermehrt im Homeoffice gearbeitet wird, über Corona hinaus. Andererseits haben manche Männer vielleicht nach monatelangem Jogginghosen-Dienstoutfit auch wieder Lust bekommen sich anders zu kleiden. Zumindest bei wichtigen und offiziellen Zusammenkünften, die es irgendwann auch wieder geben wird, wird meiner Meinung nach auch durchaus mal wieder ein Sakko und vielleicht sogar eine Krawatte getragen. Alleine um sich abzuheben. Ansonsten sind Anzug und Krawatte ja in Deutschland in der breiten Masse schon seit langem nicht mehr das liebste Kleidungsstück der Herren gewesen, im Vergleich zu Italien beispielsweise. Wobei sich nach unserer Erfahrung auch vieles mehr in den Bereich der Maßkonfektion verschiebt und zunehmende Wert auf Individualisierung und Einzelanfertigung gelegt wird. Hier haben wir über die letzten drei Jahre kontinuierlich zugelegt.

Was ist Ihr persönlicher Wunsch für 2021 in Bezug auf Ladage & Oelke?

Endlich wieder normal arbeiten zu können, wieder Gäste aus anderen Ländern zu begrüßen, all die schönen Veranstaltungen umsetzten zu können, die wir für den Alten Wall geplant hatten und Ruhe in das Tagesgeschäft zu bekommen. Und vor allem das unser Team und die Familien gesund bleiben und wir alle und diese Stadt die Krise mit einem blauen Auge überstehen.

Hier geht es zur Website von Ladage & Oelke.