Liverano & Liverano in Florenz

Das Atelier in Florenz macht nach Meinung vieler Kunden und Fachleute den elegantesten Anzug Italiens. Sicherlich gibt es aber niemanden, der so zeitlos schneidert.

Das erste Mal habe ich 1999 von Liverano & Liverano gehört. Das war auf der Herrenmodewoche in Köln, damals einer Messe von weltweiter Bedeutung. Der Vertreter einer berühmten englischen Schuhmarke trug stets Sakkos von Liverano & Liverano. Mir gefielen die eleganten Schultern der Sakkos. Sie waren etwas weiter geschnitten, sehr abfallend und ohne Polster gearbeitet. Kurz darauf habe ich dann Liverano & Liverano in Florenz während eines Besuch der Pitti Uomo erstmals besucht. Seitdem habe ich das Atelier oft von innen gesehen. Und den Chef des Hauses, Antonio Liverano, treffe ich seit ein paar Jahren regelmäßig bei den Jurysitzungen für den italienischen Schneiderwettbewerb „Trofeo Arbiter“, ausgerichtet von der Zeitschrift Arbiter in Mailand.

Geschäft und Werkstatt von Liverano & Liverano liegen in der Via Dei Fossi 43/ R in der Altstadt von Florenz. Vom Bahnhof Santa Maria Novella erreicht man sie zu Fuß in etwa 15 Minuten. Seit den 1960er Jahren ist die Schneiderei dort zu finden. Antonio Liverano hat sie zusammen mit seinem Bruder Luigi eröffnet. Die beiden stammen aus Apulien, im Süden Italiens. Dort hatten die beiden schon im Kindesalter bei lokalen Schneidern, die es damals in großer Zajl gab, ihre Lehrzeit begonnen. Luigi ist dann Ende der 1940er nach Florenz gegangen und hat begonnen, dort zu arbeiten. Antonio folgte ihm und begann für ihn zu arbeiten, zusätzlich sammelte er Erfahrungen in anderen Häusern der Stadt, bis die beiden sich zusammentaten und das gemeinsame Geschäft Liverano & Liverano eröffneten. Langsam bauten sie einen Kundenkreis auf, gleichzeitig wuchs das Renommee des Hauses. In den 1980ern gehörten Liverano & Liverano zu den angesehensten Häusern in Florenz und während der 1990er wuchs die internationale Bekanntheit. Antonio führt das Geschäft heute allein, sein älterer Bruder Luigi , den Antono sehr verehrt hat, ist bereits verstorben. Antonio rechte Hand ist Takahiro Osaki, er ist seit 2002 im Unternehmen.

Wenn man das Geschäft betritt, findet man sich zunächst in einem Raum mit Accessoires. Weiter hinten folgt der Raum mit den Stoffen, die an beiden Seiten bis an die Decke in Regalen aufgestapelt liegen. Mit einer Bibliotheksleiter sind die oben liegenden Stoffe zu erreichen. In der Mitte des Raums steht ein großer Tisch, auf dem die Ware ausgebreitet wird. Die Auswahl lässt keine Wünsche übrig, es sind die besten Qualitäten aus englischen, schottischen und italienischen Webereien zu finden. Darunter auch alte Stoffe und exklusive Gewebe. Nach diesem Raum geht es ein paar Stufen hinauf in einen kleine Salon, der als Probierzimmer dient. Links gehen davon die Werkstatträume ab, deren Fenster zum Hof gelegen sind und viel Licht hineinlassen. Besucher der Pitti Uomo kennen diese Räume vom zweimal jährlich stattfinden Cocktail der Weberei Vitale Barberis Canonico, der durch die bunte Mischung der Gäste, sowie mit Live-Musik, Häppchen und Drinks stets viele Besucher anlockt.

Antonio Liverano arbeitet bis heute jeden Tag in der Schneiderei, allerdings hat er, anders als viele Kollegen seiner Generation, frühzeitig Nachwuchs aufgebaut. Wenn man heute in die Werkstatt blickt, sieht man dort viele junge Gesichter und die meisten davon stammen aus dem Ausland. So ist Liverano & Liverano alles andere als verstaubt, was allerdings auch am Chef selbst liegt. Obschon hochbetagt, ist sein persönlicher Stil stets eine wegweisende Mischung aus handgefertigter Maßkleidung und äußerst geschmackvoll zusammengestellten Accessoires. Liverano & Liverano haben früh begonnen, in diesem Bereich ein großes Angebot zusammenzustellen. Heute gilt die Accessoire-Abteilung als eine der besten Quellen Italiens. So kaufen dort nicht nur die Maßkunden, die sich oft von Antonio Liverano oder Takahiro Osaki das passende Zubehör zum gerade abgeholten Anzug, Sakko oder Mantel zusammenstellen lassen.

Stilistisch liegen die Anzüge von Liverano & Liverano irgendwo zwischen der klar konturierten Förmlichkeit vieler Schneider des Nordens und der Lässigkeit des Südens. Antonio Liverano legt größten Wert auf Bequemlichkeit, ein Anzug muss sich seiner Meinung nach genauso angenehm tragen wie Hemd, Pullover und Jeans. Außerdem schneidet Antonio Liverano so zu, dass die Jacken kleine Gewichtsschwankungen ohne Änderung mitmachen. Eine Qualität, die ich auch von meinen Londoner Anzügen von Tobias Tailors kenne, die man bei den meisten Schneidern aber vergeblich sucht. Typisch für Liverano & Liverano ist der für heutigen Begriffe weite hinunter reichende Kragen, die steile Crochetnaht, die etwas kürzere Jacke und die schmale Silhouette der Hosen. Dieser Grundlook kann so an die Figur und Persönlichkeit des Kunden angepasst werden, dass er vollkommen über der Mode steht. Ein junger, schlanker Mann gewinnt durch einen Anzug des Hauses an Format, ein älterer Herr wirkt in ihm dagegen alterslos wirkt.