Anzug von Dawid Kukliński

Es hat beinahe ein Jahr gedauert, bis ich den neuen Anzug von Dawid Kukliński abholen konnte. Das lag nicht daran, dass der Schneider zu langsam war oder zu viel tun hat. Es hätte einfach keinen Sinn gehabt, den Anzug zum Sommer fertigzustellen. Deshalb hat Dawid Kukliński den Anzug jetzt, zu diesem Herbst und Winter, fertiggestellt. Aufgrund der langen Zeit, die seit der zweiten Anprobe verstrichen ist, war Dawid Kukliński ein wenig angespannt vor unserem Treffen in Berlin. Allerdings hat sich mein Gewicht nicht verändert seit der letzten Anprobe, deshalb passte der Anzug auch sehr gut.



Der Stoff ist ein mittelgrauer Covert von Holland & Sherry, den ich schon seit etwas vier Jahren bei mir liegen hatte. Soweit ich mich erinnere, habe ich ihn im Dakota-Bündel gefunden. Meines Wissens wird es aktuell nicht aufgelegt, was ich sehr bedaure. Das Dakota-Bündel war eine von den Stoffkollektionen, aus denen ich blind Stoffe auswählen könnte und immer zufrieden wäre (wie z. B. auch bei Alsport von John G. Hardy). Seit über 20 Jahren wollte ich mir einen Anzug aus Covert machen lassen, da dieser Stoff robust, knitterarm und von seiner leicht melierten Optik her sehr attraktiv ist. 

Für einen sportlichen Anzug würde ich die Farbe wählen, die man den Covert-Coats mit braunem Samtkragen kennt. Für ein vielseitiger einsetzbares Teil, also einen Stadt-, Land- und Reiseanzug, erschien mir der mittelgraue Covertstoff ideal. Von der Ferne sieht er einfach nur grau aus, bei näherer Betrachtung fällt die typische Covert-Optik ins Auge. Eduard Meier hatte früher einen wesentlich dunkleren Anzug aus diesem Stoff im Sortiment mit dem typischen grünen Futter des Hauses, er war eine weitere Inspiration für mich. Allerdings war mir das Grau zu dunkel für den Tag, deshalb habe ich die hellere Qualität gewählt. Sie ist für den Abend natürlich zu hell, auf Reisen würde ich in den Anzug dennoch abends tragen. Mit weißem Hemd und schwarzen Schuhen würde ich mich korrekt gekleidet fühlen.

Ich habe von Dawid Kukliński bereits ein Leinensakko machen lassen. Bei dem Anzug haben wir uns darauf geeinigt, dass der Schnitt ein bisschen mehr dem italienisch inspirierten Stil des Schneiders aus Gdynia folgen darf. Also eine Spur schmaler an den Schultern und insgesamt ein wenig körpernäher. Als ich den Anzug angezogen an mir sah, erschien er mir dennoch sehr meinem Look zu entsprechen. Ich liebe es, wenn ein Anzug so aussieht, als hätte ich ihn schon immer in meiner Garderobe. Nicht in dem Sinne, dass der Anzug abgetragen aussieht. Ich meine vielmehr, dass er wie ein Teil von mir wirkt. Das trifft definitiv auf diesen Anzug zu. Gleichzeitig ist er vom Schnitt her so, dass ich mich sofort darin zu Hause gefühlt habe. Ich spüre ihn praktisch gar nicht. Manch einem wäre er vielleicht zu weit. Ich ziehe es aber vor, wenn der Anzug so geschnitten ist, dass er im Stehen, Gehen oder Sitzen nicht einengt.

Hier noch einmal kurz die Konfiguration des Anzug: Drei Knöpfe mit eingerolltem oberen Knopf. Zwei Seitenschlitze. Innen zwei Taschen und eine kleine Tasche links für Kamm und Stift. Die Innentaschen lasse ich bewusst nicht als Zungentasche arbeiten, ich empfinde es bei einem Maßanzug als stimmiger, wenn das Innenleben sehr schlicht ist. Breite Zungentaschen gelten als typisches Merkmal von Handwerksarbeit, tatsächlich haben Schneider früher den Stoffverbrauch lieber klein gehalten und die Innentaschen nur mit Futterstoff oder mit wenig Oberstoff eingefasst. An den Ärmelabschlüssen gibt es je vier Knöpfe. Das Futter habe ich Ton in Ton in Grau gewählt. Wie schon im Zusammenhang mit dem Kordanzug zu Brummer erwähnt, bin ich seit einigen Jahren von „witzigen“ oder allzu auffälligen Futterstoffen abgekommen. Die Brusttasche lasse ich immer etwas niedriger positionieren, als es heute die jüngeren Schneider vorschlagen. Ich finde, dass die Brusttasche heute, der Konfektion folgend, viel zu hoch sitzt.

Die Hosen habe ich mit nach innen gelegten Bundfalten und Gürtelschlaufen machen lassen. Die Bundverarbeitung innen ist „englisch“. Ich wollte den Anzug vor einem Jahr mit Gürtel tragen, kurz vor der Auslieferung habe ich aber Dawid Kukliński gebeten, Knöpfe für Hosenträger innen an den Hosenbund zu nähen. Mein Gewicht ist grundsätzlich stabil, wenn ich aber im Frühjahr mehr Laufsport mache, kann ich ein oder zwei Kilogramm verlieren, dann würde die Hose mit dem Gürtel nicht mehr halten. Davon abgesehen halten Gürtelhosen an meinem Körper nur dann richtig gut, wenn die Hosen sehr eng sind oder niedrig sitzen. Die Verarbeitungsqualität bei Jacke und Hosen ist sehr gut.

Mein Fazit: Ein sehr guter Anzug zu einem Preis, der unter dem von deutschen oder österreichischen Schneidern liegt. Deshalb ist das Preis-Leistungs-Verhältnis naturgemäß sehr günstig. Dawid Kukliński spricht gut Englisch und er hat ein gutes Einfühlungsvermögen in die Wünsche des Kunden. Er gibt an, dass er alle zwei Monate in Berlin ist, von dort macht er meistens auch einen Abstecher nach Leipzig. Wer bei ihm ein Teil in Auftrag gibt, wird also nicht allzu lang warten müssen.