Letztes Jahr traf ich in Bukarest am Rande eines Events Mircea Cioponea, den Gründer des Schuhblogs Claymoorslist. Er erzählte mir, dass er gerade zusammen mit Petru Coca das Maßschuhatelier Petru & Claymoor gegründet hat. Ein paar Monate später war Zeit für ein ausführliches Interview.
Bernhard Roetzel: Mircea, Sie sind bekannt als Gründer von Claymoorslist. Warum haben Sie beschlossen die Rollen zu tauschen und Schuhmacher zu werden, statt nur über die Schuhmacherei zu schreiben?
Mircea Cioponea, Claymoor: Es begann damit, dass ich meinen Geschäftspartner Petru Coca getroffen habe. Er war damals noch mit einem anderen Schuhprojekt beschäftigt. Wir ergänzen uns sehr gut und hatte das Glück, einen hervorragenden Handwerker kennenzulernen. Rumänien ist in Hinsicht auf die Schuhmacherei sehr interessant, da es dort viele talentierte Handwerker gibt. In Transylvanien, also Siebenbürgen, hat sich eine Handwerkstradition erhalten, die aus der Zeit Österreich-Ungarns stammt. Südlich der Karpaten gab es in Bukarest bis 1945 unzählige Geschäfte und Maßschuhmachereien. Ich habe neulich ein Paar Schuhe gesehen, die irgendwann zwischen 1940 und 1945 in Bukarest gebaut worden sind. Sie waren von herausragender Qualität. Absolute makellose Nähte, ein perfekt geschnittener Schaft. Das gleiche Level, das wir aus London oder Wien gewöhnt sind.
Wie können Sie einen Schuhmacherei führen, ohne Schuhmacher zu sein?
Mircea Cioponea: Ich bin kein Schuhmacher, ich kenne aber alle Herstellungsschritte. Ich glaube sogar, dass es ein Vorteil ist, dass ich kein Schuhmacher bin. Man muss heutzutage die Werkstatt von der Produktentwicklung trennen. Die Zukunft gehört gemischten Teams aus einem Schuhmacher und einem Partner mit einer Vision für die Entwicklung der Marke. So wie bei Stefano Bemer und Tommaso Melani. Ohne Tommaso hätte die Marke Stefano Bemer nicht überlebt nach Stefanos Tod. Petru und ich haben eine ganz unterschiedliche Vergangenheit, ich als Blogger, er in der Entwicklung von Geschäftsprojekten. Das ergänzt sich aber sehr gut. Zusammen steigern wir gegenseitig unsere Kreativität. In der intimen Atmosphäre unseres Geschäfts wollen wir eine untergegangene Welt wiederaufleben lassen.
Wie würden Sie den Stil von Petru & Claymoor beschreiben?
Petru Coca: Wir machen Maßschuhe, insofern haben wir keinen so ausgeprägten Stil wie eine Firma, die Konfektionsschuhe macht. Bei uns bestimmt der Kunde das Aussehen des Schuhs. Wir sind ja noch sehr jung, die meisten unserer Modelle sind deshalb neu interpretierte Klassiker. Wir mögen gern ein gewisse Patina beim Leder, aber nicht in übertriebenem Maß. Von der Silhouette sind wir eher angelsächsisch als italienisch oder französisch. Da wir in Rumänien sehr lange Sommer haben, machen wir viele Loafer. Die Made-to-Order-Linie „1881“, die wir im Sommer herausbringen werden, soll allerdings viel italienisches Flair haben. Wir hoffen, dass unser erster Prototyp dann unserer Schlüssel-Look etablieren wird.
Gibt es etwas, was Sie anders machen als andere Maßschuhmacher?
Petru Coca: Nein, wir machen nichts anders als unsere Kollegen in anderen Teilen der Welt, speziell im westlichen Ausland. Wir bewegen uns zur Zeit aber noch überwiegend im osteuropäischen Markt, da müssen wir den Geschmack der Kunden berücksichtigen. Bei uns ist das Finish sehr wichtig. Wir haben das bei uns perfektioniert, um so dicht wie möglich an die japanische Auffassung heranzukommen. Schuhmacher wie Yohei Fukuda oder Masaru Okuyama sind für uns eine ständige Inspiration. Natürlich inspirieren uns auch andere Schuhmacher, wir lassen uns ständig zu Verbesserungen anregen. Wir sind ein Familienunternehmen, es gibt keinen Druck von Geschäftspartnern, wir nehmen uns die Zeit, auf unsere Art an die Arbeit heranzugehen. Wenn ich zufrieden bin mit einem Schuh und ihn anziehen würde, dann bieten wir ihn auch den Kunden an. Wenn nicht, fangen wir wieder von vorn an.
Was verstehen Sie unter einem gut passenden Schuh?
Petru Coca: Für den Maßschuhmacher geht das mit dem Probierschuh los. Die rumänischen Kunden bevorzugen einen etwas weiteren Schuh. Ich persönlich mag es, wenn der Schuh sehr stramm am Fuß sitzt. Aber die Passform variiert von Kunde zu Kunde.
Wie vermessen Sie die Schuhe? Wie gehen Sie bei den Anproben vor?
Petru Coca: Zum Maßnehmen treffen wir den Kunden in unserer Werkstatt in der Aleea Alexandru oder bei ihm zu Hause. Danach bauen wir die Leisten für einen Probierschuh. Nach dessen Anprobe optimieren wir die Leisten oder ändern sie. Anschließend bauen wir einen weiteren Probierschuh, um die Änderungen des Leistens zu überprüfen. Den Probierschuh machen wir am liebsten im Oxford-Schnitt, um die Passform besser beurteilen zu können. Wenn der Leisten fertig ist, kommt er ins Regal bis zur nächsten Bestellung.
Was waren im Rückblick die größten Probleme der ersten Monate von Petru & Claymoor?
Mircea Cioponea: Wir hatten vorher sehr genaue Vorstellungen. Wenn man dann aber anfängt, stellen sich viele Schwierigkeiten ein. Wir beziehen all unsere Rohmaterialien aus dem Ausland, da stellte sich die Kommunikation als schwierig heraus. Zum Glück haben wir drei Lieferanten gefunden, die uns das Leben sehr erleichtern. Helmuth Kolde für das Leder, Herfort für den Großteil der anderen Zutaten wie Brandsohlen, Nägel, Stoßplatten, Gummiplatten und so weiter. Und JR Rendenbach für das Sohlenleder und das Leder des Rahmens. Diesen drei sind wir sehr dankbar für ihre Unterstützung. Die Finanzierung war auch eine Herausforderung, weil die Kosten in diesem Geschäft sehr hoch sind. Unsere Komponenten entstehen alle in Kleinserien, jeder Lieferengpass ist für uns ein großes Problem. Unseren Laden haben wir im Stil der 1930er Jahre ausgestattet mit Original-Möbeln. Wir hatten immer ein genaues Bild unseres Kunden, deshalb sind uns Details sehr wichtig.
Was sind ihre kurzfristigen und langfristigen Ziele?
Mircea Cioponea: Ein kurzfristiges Ziel war unser Made-to-order-Schuh. Daran haben wir seit letztem Winter sehr intensiv gearbeitet. Es wird ihn mit zwei Kappenformen geben, rund und eckig. Er wird das Rückgrat der schon erwähnten „1881“-Kollektion. Das Logo besteht aus einer Krone mit der eingravierten Jahreszahl. Sie steht für die Krone aus Stahl, die Königskrone der Rumänen. Sie wurde aus einer Kanone der Ottomanen gefertigt, die 1877 bei der Schlacht von Plewna erbeutet worden ist, einer wichtigen Episode des rumänischen Unabhängigkeitskrieges. Die Krone wurde von König Karl I. auf Anraten seines Vaters, des Fürsten Karl Anton zu Hohenzollern-Sigmaringen, betont schlicht gehalten. Unsere Made-to-order-Linie wird drei Modelle in drei Farben umfassen, die man bald online bestellen kann. Es wird außerdem drei limitierte Editionen geben, 10 Paar pro Modell. Das erste Modell wird eine limitierte Edition für Nicolas von Rumänien sein aus russischem Leder. Dieses Leder wird nicht es für die Made-to-order-Linie geben. Für das Bespoke-Geschäft planen wir langfristig vier feste Trunkshowtermine. Außerdem wollen wir die Zusammenarbeit mit Rolls Royce in Rumänien intensivieren und dem Weingut von Iosefin Florescu, dem Galicea Mare Estate. Unsere Kunden bekommen mit jedem Paar Schuhe eine Flasche 2016er Cabernet Sauvignon.
Wie sind Ihre Preise?
Petru Coca: Für den Maßleisten berechnen wir 250 Euro. Ein Paar Maßschuhe aus Kalbsleder kostet 1.250 Euro, Stiefel nach Maß 1.500 Euro. Maßschuhspanner sind im Preis inbegriffen. Maßschuhe aus Alligator- oder Krokodilleder liegen bei 3.500 Euro. Die Preise für Gürtel, Handschuhe und Uhrenarmbändern nennen wir auf Nachfrage.
Wie lang ist die Lieferzeit?
Mircea Cioponea: In der Regel drei Wochen für den Probierschuh, etwa vier Wochen für den Bau der endgültigen Schuhe. Meistens geht es schneller. Das hängt ein bisschen von Auslastung der Werkstatt ab.
Welche Service bieten Sie nach dem Kauf an?
Petru Coca: Wir kümmern uns komplett um die Schuhe von der Instandhaltung bis zu allen Reparaturen.
Fotografie von Nelu Platon.