Die Maßschuhmacher Vickermann & Stoya — Gutes für die Füße aus dem Schwarzwald

Seit 2004 kennen sich Matthias Vickermann und Martin Stoya, 2005 gründeten sie ihre Maßschuhmacherei. Die hatte von Anfang an eine Aura von Alteingessenheit, weil die beiden Gründer die Räumlichkeiten zweier alter Schuhmacherbetriebe übernommen haben. Inzwischen haben sie ihre Räume beträchtlich erweitert und jeder Kunde kann den Handwerkern bei der Arbeit zusehen. Und nach 16 Jahren sind die beiden gut etabliert in Baden-Baden. 

Baden-Baden ist nicht irgendeine Stadt im Schwarzwald, sie ist Deutschlands berühmtester und feinster Kurort. Der Einzelhandel reflektiert die Bedürfnisse und den Geschmack wohlhabender Gäste, man bekommt in Baden-Baden so ziemlich alles, was gut und teuer ist. Die Maßschuhmacherei von Vickermann & Stoya passt preislich in dieses Bild, die Einstellung der beiden Inhaber orientiert sich aber nicht am Luxuskunden. Der findet hin und wieder zwar auch den Weg in die Werkstatt, Maßschuhe sind für die meisten aber zu sehr understated. „Es gibt drei Arten von Kunden“, erklärt Matthias Vickermann. „Einmal den mit dem Fußproblem. Dann den, der immer schon das Individuelle gesucht hat. Also dieses Modell in der und der Farbe aus diesem oder jenem Leder. Das ist ein geringer Anteil von Kunden. Der größte Teil findet es aber einfach toll, dass es in Deutschland noch Betriebe gibt, die Schuhe in reiner Handarbeit herstellen.“ Manche Kunden kommen aber auch über Reparaturen zum Maßschuh. Von Anfang an haben Vickermann & Stoya sich um alle Arten von Schuhen gekümmert, nicht nur um Rahmengenähte. Das baut Schwellenängste ab und baut Vertrauen auf.

Maßschuhfans haben oftmals kein festes Bild im Kopf von der Form deutscher Schuhe. Wer sich mit der Materie befasst, kann einen Schuh von Lobb in London leicht von einem Maßschuh von Corthay in Paris unterscheiden. Und sei es, dass er die Schuhe wenigstens den beiden Ländern zuordnen kann. Einen eindeutig deutschen Schuhstil gibt es dagegen nicht auf den ersten Blick. Matthias Vickermann sieht das nicht als Nachteil: „Englische und ungarische Schuhe haben einen Stil, der unverkennbar ist. Die österreichischen Kollegen haben sehr unterschiedliche Handschriften. Die Franzosen machen oft sehr viel mit dem Leder, da gibt es Hochglanzpolituren, raffinierte Farben, das Leder wird tätowiert. Wir legen viel Wert auf die Orthopädie, wir berücksichtigen Fußfehlstellungen. So versucht jeder seine Nische zu finden.“


Die Maßschuhmacherei liegt in einer steil ansteigenden Straße, was für Baden-Baden typisch ist. Wenn die Sonne scheint, hat sie beinahe südländisches Flair. Besucher betreten zuerst einen Geschäftsraum, der mehr nach Reparaturschusterei aussieht. Die Räume der Maßschuhmacherei liegen links eine kleine Treppe höher. Zuerst kommt ein größerer Raum, der ebenfalls zur Straße liegt, hier stehen geknöpfte englische Armstühle bereit für Beratungsgespräche, das Maßnehmen und die Anproben. Zahlreiche Musterschuhe stehen bereit als Inspiration für den Kunden, stilistisch decken sie eine große Bandbreite ab. „Man sieht unseren Schuhen nicht sofort an, dass sie von Vickermann & Stoya sind. Aber wir finden, dass der Kunde den Schuh macht. Erstmal schon durch seinen Fuß, der die Form vorgibt. Dann durch seinen Geschmack.“


Wer bei Vickermann & Stoya ein Paar Maßschuhe bestellt, wird entweder von Matthias Vickermann oder von Martin Stoya vermessen. Matthias Vickermann übernimmt es bei den Trunkshows, die in vielen Städten Deutschlands angeboten werden. Während der Pandemie lag dieser Teil des Geschäfts fast komplett brach, in Baden-Baden wurden aber weiter Bestellungen angenommen. Wenn alles mit dem Kunden besprochen worden ist und Klarheit über das gewünschte Modell besteht, konstruiert Martin Stoya den Schaftschnitt und baut als erstes einen Probeschuh. Matthias Vickermann ist überzeugt, dass es ohne diese Zwischenschritt nicht geht: „Füße schwellen an im Laufe des Tages. Das kann bei manchen Kunden immense Unterschiede machen. Es wäre dann Glückssache, ob ich morgens oder abends messe. Wenn ich aber dreitausend Euro ausgebe, dann stelle ich höchste Anforderungen an die Maßgenauigkeit.“ Ansonsten erfüllt der Probeschuh zwei weitere Aufgaben: „Erstens sind damit beide Seiten abgesichert. Der Kunde bekommt ein Vorabgefühl davon, wo die Reise hingeht. Und zweitens ist er auch für uns eine Absicherung. Wir wissen mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass wir den Auftrag abgearbeitet bekommen. Es kann dann natürlich immer noch was sein, denn es gibt kleine Unterschied zwischen Probierschuh und fertigen Schuh. Das sind dann aber in der Regel Kleinigkeiten, die man beheben kann.“

Stilistisch ist man bei Vickermann & Stoya offen für fast alle Wünsche, man sieht Muster von Bergschuhen, Hausschuhen, Sneakers oder Stiefeletten genauso wie die üblichen Verdächtigen der klassischen Schuhgarderobe. Trotz dieser Flexibilität gibt es aber schon so etwas wie typische des Hauses, z. B. empfiehlt Martin Stoya gern weinrotes Leder bzw. die Farbe Ochsenblut. „So ein Schuh ist unheimlich vielseitig, heute tragen viele Männer ja nur selten schwarze Schuhe.“ Auch Derby-Modelle werden oft gemacht in der Werkstatt in Baden-Baden. Die sind etwas bequemer am Spann, der bekanntlich bei deutschen Kunden oftmals etwas höher ist: „Der klassische Oxford ist manch einem schon zu formell. Viele wollen eher eine Derbyschnürung. Weil die Derbyschnürung so wahnsinnig bequem ist. Man kann die ja so schön weit öffnen“, erklärt Matthias Vickermann.

Auch wenn ein Maßschuh auf Anhieb perfekt passen sollte, empfehlen die Maßschuhmacher, dass man nicht gleich am ersten Tag mit den neuen Schuhen eine ausgedehnte Stadtwanderung macht: „Der Kunde sollte den Schuh zwei bis drei Wochen einlaufen. Die Laufsohle aus grubengegerbtem Leder ist noch unflexibel, dadurch kann die Ferse ein wenig herausgehebelt werden.“ Matthias Vickermann trägt am Tag unseres Besuchs übrigens Loafer und Martin Stoya einen One-Piece mit roter Profilsohle. Selbstverständlich aus der eigenen Werkstatt: „Mit jedem Paar Maßschuhe erhalten wir ein Stück Kultur. Von allen anderen Vorteilen einmal abgesehen.“

  1. Sehr geehrter Herr Roetzel,

    ehrlich gesagt, bin ich diesmal etwas enttäuscht von Ihrem Bericht!

    Der hat soviel Spaß beim Lesen gemacht, der hätte ruhig noch etwas ausführlicher sein können. Aber den Rest an Informationen bzgl. Leder, Macharten und Schuhformen, kann man sich ja auf der Website v. Vickermann uns Stoya besorgen.

    Ich wollte mal wissen, ob Sie einen Beitrag auch über die Schuhfirma St. Crispin`s geplant haben. 😀Ich habe davon mehrere Schuhe und bin damit auch sehr zufrieden. Übrigens wenn Sie Interesse haben, stelle ich Ihnen gerne diese Schuhe auch für einen Bericht zur Verfügung. Habe auch zwei Eigenkreationen mir von St. Crispin`s fertigen lassen, die so auch noch nicht in deren Programm waren. Allerdings wollte ich mir auch mal einen Maßschuh von Vickermann und Stoya fertigen lassen, um da den Unterschied zu sehen.

    Auch Beiträge über die neapolitanischen Schneider interessieren mich sehr, bin ich denn ein leidenschaftlicher Fan von Kiton, Cesare Attolini,Finamore und Stile Latino. Vielleicht könnten Sie ja mal auch über diese Firmen Beiträge ins Netz stellen.

    Ansonsten freue ich mich jedesmal über Ihre Beiträge in der Tweed und auf Ihrer Seite.

    Mit herzlichen Grüßen

    Michael Nikes

    1. Sehr geehrter Herr Nikes,

      vielen Dank für Ihr Feedback. Für uns ist es sehr wichtig, eine Rückmeldung zu bekommen. Auch wenn sie nicht aus Lob besteht.

      St. Crispin’s ist auf unserer Liste und wir sind in Kontakt mit dem Haus. Neapel ist ebenfalls ein Thema, das wir angehen wollen. Wir hatten eine Reise nach Neapel geplant, leider mussten wir die verschieben.

      Viele Grüße

      Bernhard Roetzel