Römische Exzellenz: Der Herrenschneider Gaetano Aloisio

Nur wenige Schneider Italiens genießen bei ihren Kollegen ein so hohes Ansehen wie Gaetano Aloisio. Hugo Jacomet sieht ihn ihm gar einen der besten Schneider Italiens. In Deutschland ist er wesentlich weniger bekannt. Ich habe Gaetano Aloisio letztes Jahr in Mailand kennengelernt, jetzt hatte ich die Gelegenheit für ein exklusives Interview.

Feine Herr: Hugo Jacomet nennt Sie einen der größten Schneider Italiens. Er beschreibt Ihre Arbeit als extrem präzise und ihren Stil als römisch. Wie würden Sie sich selbst als Handwerker beschreiben?

Gaetano Aloisio: Ich ziehe es vor, mich durch das zu beschreiben, was ich getan habe und tue. Seit meinen ersten Schritten in die Welt der Maßschneiderei habe ich immer nach der besten Handwerksarbeit gesucht, die ich bei den Meistern und bei ihren Kleidungsstücken gesehen habe. So habe ich versucht, meinen eigenen Stil zu entwickeln. Sehr präzise ausgeführt, mit den feinsten Stoffen. Ich versuche allen meinen Kunden jeden Tag immer die höchste Qualität zu bieten Ich freue mich zu hören, was Hugo über mich sagt. Er hatte Gelegenheit meine Arbeit zu beobachten und dabei hat er sicherlich gesehen, dass ich jedem Detail meine Aufmerksamkeit widme, mit nie endender Leidenschaft. Meine Arbeit verbindet die Traditionen der italienischen Schneiderei, die Modernität der Linie, der hohe technische Anspruch und der italienische Geschmack. All das erlaubt es mir, die Erwartungen meiner Kunden aus aller Welt zu erfüllen oder manchmal zu übertreffen. Und auch heute, nach 44 Jahren Schneiderei, überlege ich immer noch ständig, wie ich meine Arbeit verbessern kann. Ich bin Perfektionist und ein Forscher in Sachen Eleganz.

Schneider sind oft eifersüchtig auf Kollegen. Aber jeder Schneider, den ich getroffen habe, spricht anerkennend von Ihnen. Wie erklären Sie sich das?

Seit der Eröffnung meines Ateliers vor 30 Jahren habe ich zwei Ziele verfolgt. Erstens: Mich jeden Tag zu verbessern. Zweitens: Nicht nur einfach nur Handwerker zu sein, sondern auch noch hochqualifizierter Fachmann und ein Unternehmer mit Vision. Wenn meine Kollegen heute so von mir sprechen, dann ehrt mich das. Und ich weiß, dass ich mein zweites Ziel erreicht habe. Was das erste Ziel betrifft, so hoffe ich, dass ich bis an mein Lebensende weiter lernen werde. 

Sie haben sehr früh als Schneider angefangen. Können Sie uns einen kurzen Abriss Ihrer Laufbahn geben? 

Ich habe schon auf der Mittelschule meine Schneiderlehre begonnen. Ich war noch sehr jung aber schon voller Leidenschaft für diese Kunst. Ich habe mehrere Monate damit verbracht, alles zu beobachten und die Geheimnisse des Handwerks zu erlernen. Mailand war dann der erste Schritt hin zur absoluten Qualitätsschneiderei. Dort brachte mir Meister Bolognesi neben dem Technischen auch die richtige Geisteshaltung mit. Ich war da erst 16. Die sonnigen und warmen Farben Roms lockten mich von Mailand weg. 1991 eröffnete ich in Rom mein Atelier. Heute liegt es in der renommierten Villa Malta. Es gibt inzwischen auch noch zwei Boutiquen von mir mit Konfektion in Rom und einen Showroom in Paris. Ich liefere heute komplette Looks für große Namen aus der Finanzwelt, der Politik und der Industrie. Zu meinen Kunden gehören außerdem zahlreiche Mitglieder von Königsfamilien und diverse Staatsoberhäupter. 


Sie unterstützen auch junge Schneider. Wie machen Sie das? 

Zunächst einmal, in dem sich sie als Lehrlinge anstelle. Das macht mir sehr viel Spaß. Die jungen Enthusiasten sind die Zukunft, speziell in dieser Kunst. Früher konnte man sich in Italien nach ein paar Jahren “Schneidermeister” nennen. Heute muss ein junger Mensch sehr viel mehr Zeit aufwänden, um dieses Ziel zu erreichen. Deshalb haben wir bei der Accademia Nazionale dei Sartori und dem Nationalen Bund der Meisterschneider, dessen Präsident ich bin, eine neue Ära eingeläutet. Die Akademie ist jetzt eine moderne Schneiderschule an der jeder, der Schneider werden möchte, eine Chance dazu bekommt. Sofern er sich mit maximaler Hingabe und Leidenschaft diesem Ziel verschreibt. Als Vize-Präsident der World Federation of Master Tailors nehme ich außerdem an dem Verbandsleben teil und unterstütze ich die neue Generation der Schneidermeister in aller Welt. 

Wenn ein neuer Kunde zu Ihnen kommt, um etwas zu bestellen. Gibt es Besonderheiten bei Ihrer Arbeitsweise?

Beim ersten Treffen versuche ich seine Persönlichkeit zu verstehen und möglichst viel über seinen Lebensstil herauszufinden, über das Bild, das er von sich macht, seine Bedürfnisse und Wünsche. Gleichzeitig studiere ich seine Figur und alle Besonderheiten des Wuchses. Mein Ziel ist es nicht nur, eine schöne Jacke oder einen schönen Anzug zu machen. Jedes Kleidungsstück sollte einmalig sein, gemacht auf Basis der Persönlichkeit und der Figur des Kunden. Wenn er nach der letzten Anprobe das Teil bekommt und ich sehe ein glückliches Lächeln, dann habe ich mein Ziel errreicht. 

Wie wichtig ist die Schnittkonstruktion im Verhältnis zu den Anproben bei Ihrer Arbeitsweise?

Nach meiner Vorstellung von Herrenschneiderei ist es essentiell, dass jedem einzelnem Schritt die gebührende Aufmerksamkeit gewidmet wird. Sicherlich, die Entwicklung des Schnittmusters zeigt sich bei den Anproben. So wie die anderen Arbeitsschritte einen wichtigen Einfluss auf das Endergebnis haben. Jeder Schritt ist wie in einer Kette mit dem nächsten verbunden und alle Schritte sind wichtig für die Bespoke-Reise.

Was ist der größte Vorteil eines Maßanzugs im Vergleich zur Konfektion?

Es gibt einige sehr anständige Konfektionsanzüge. Aber natürlich ist Maßarbeit noch einmal etwas ganz anderes. Ein Maßanzug ist nicht einfach nur ein Anzug, er ist eine zweite Haut. 

Welchen Rat geben Sie jemandem, der es zum ersten Maß mit der Maßschneiderei probieren möchte?

Beginnen Sie damit, einen guten Schneider auszusuchen. Wenn Sie eine gute Wahl treffen, werden Sie sicherlich eine phantastische Reise erleben. Ihre Leser müssen aber bedenken dass die Maßschneiderei ein Risiko enthält: Wenn Sie die Eleganz und die Schönheit im Spiegel sehen, die ihnen der Maßanzug verleiht, dann werden Sie verstehen, dass Sie kein anderes Kleidungsstück befriedigen wird. 

Würden Sie gern nach Deutschland kommen? 

Natürlich. Ich mag Deutschland und seine Städte, einige habe ich ja besucht. Wenn es in Deutschland Interessenten gibt, werde ich einen Besuch organisieren.