Bekleidungskultur ist das Ergebnis von Erfahrung — Interview mit Ignatious Joseph

Ignatious Joseph ist ein weltbekannter Hemdendesigner, die gelben Schachteln mit seinen Hemden sind bei einigen der besten Ausstatter im Angebot. Über sein Privatleben spricht er nie, in unserem Exklusiv-Interview äußert er aber sehr interessante Gedanken zu seinem Stil und der Bekleidungskultur.

Feine Herr: Ich glaube, wir sind uns 1999 erstmals auf der Herrenmodewoche begegnet. War dies das Jahr der Gründung Ihres Labels?

Ignatious Joseph: Nein, das war 1997.­­

Sie sind in Sri Lanka geboren. Wie sind Sie nach Düsseldorf gekommen?

Ich glaube mit einem Zug. Ich war Student und ich konnte mir zu der Zeit kein Auto leisten. 

Was ist die Idee hinter ihren Hemden? 

Das ist ganz einfach zu erklären. Ich komme aus einem sehr heißen, feuchten Klima. Trotzdem wurde meine Generation noch dazu erzogen, sich so zu kleiden, wie die Briten, die unser Land verwaltet haben. Vielleicht haben Sie mal den Song „Mad Dogs And Englishmen“ von Noël Coward gehört. Er sagte damit, dass nur die Engländer so unflexibel waren, dass nicht einmal das tropische Klima ihre Kleidung oder ihre Gewohnheiten ändern konnte. Als ich Sri Lanka verlassen habe, wollte ich meine Bekleidungsgewohnheiten nicht ändern. Aber ich wollte Hemden, die ich wirklich in jedem Klima und bei allen Bedingungen tragen konnte. Feucht oder trocken, auf dem Parkett oder dem Sportplatz – ich wollte immer „smart“ aussehen. Ich würde im Traum nicht ein T-Shirt als tragen. Meine Hemden sind genauso bequem. 

Die Verpackung ihrer Hemden ist außergewöhnlich. Was hat es mit den gelben Hemdenschachteln auf sich? 

Die Schachteln sind gelb, weil das die Farbe des Lichts ist. Wenn der Kunde sie sieht, hellt sich seine Stimmung auf. Und er kann die Hemden betrachten und den Stoff betasten, ohne das Hemd zu zerdrücken. Das ist für den Einzelhändler wichtig. Für ihn sind die Schachteln auch leichter zu handhaben und zu lagern. 

Als Sie anfingen, sprach jeder von dem “Mann in den roten Schuhen”? Was ist die Geschichte dieser Schuhe?

Das ist eine alte Geschichte. Um es kurz zu machen. Ich bin mit Cricket aufgewachsen. Fußball hat sich bei uns nicht durchgesetzt, obwohl es auch aus England kommt. Beim Cricket gibt es einen Dresscode: Man kleidet sich komplett in Weiß. Für einen Jungen waren die Cricket-Schuhe, die wichtigsten Schuhe, die man hatte. Nun war ich damals schon sehr interessiert an guter Kleidung und ich wollte elegante Schuhe. Meine Eltern wollten einem Jungen, der noch wächst, aber keine kaufen. Da hatte ich irgendwann die Idee, mir rote Farbe zu kaufen und meine Cricketschuhe rot anzumalen. Das hat meine Freunde beeindruckt. Meine Eltern überhaupt nicht. Mein Vater hat mich tatsächlich ganz schon verdroschen. Aber das machte mich nur noch störrischer. Wenn ich Cricket gespielt habe, waren meine Schuhe weiterhin weiß, ansonsten waren alle meine Schuhe seitdem rot. 

Ihr Stil ist unverwechselbar. Was ist Ihre Formel für Eleganz?

Ich habe keine Formel. Und ich glaube auch nicht, dass man einen Doktortitel haben muss, um gekleidet zu sein. Bekleidungskultur ist das Ergebnis von Erfahrung und dem, was man lernt. Man lernt durch Erfahrung und das Nachdenken über die Erfahrung. Man muss beobachten, sensibel sein für die Welt um einen herum und das eigene Handeln reflektieren. Ich bin mit englischen Bekleidungsgewohnheiten großgeworden in einer der südasiatischen Kolonien Großbritanniens. Ich bin aber kein Engländer. Egal wie lang ich lebe, ich werde nie ein Engländer sein und deshalb kann ich mich auch nie wie ein Engländer kleiden. Ich habe den größten Teil meines Lebens in Deutschland verbracht, was Teil der westlichen Halbinsel Eurasiens ist. Man könnte auch sagen, dass es Teil des europäischen Subkontinents ist mit einer Bevölkerungszahl, die der von Westbengalen nahekommt. Das heißt, dass ich auch von den Bekleidungsvarianten beeinflusst worden bin, die man in diesem Teil der Welt findet. Ich habe mit den generellen Vorliebe begonnen, die ich zu Hause gelernt habe. Dann habe ich das, was ich auf Reisen und auf andere Weise gefunden habe, adaptiert. Bis ich gefunden haben, was zu mir gepasst hat. Seitdem lasse ich meine Anzüge entsprechend anfertigen. 

Was Sie tragen, ist offensichtlich maßgeschneidert. Würden Sie die Namen der Schneider verraten, die für Sie arbeiten?

Das wäre indiskret.

Auch wenn ihre Hemden sehr italienisch wirken, sind sie in der englischen Tradition verwurzelt. Ist das richtig?

Die Engländer, also die, die das britische Weltreich geschaffen haben, beherrschten das Mittelmeer bis zum Ende des zweiten Weltkriegs. Die Engländer dominierten den Handel in dieser Region und die Royal Navy kontrollierte die wichtigsten Häfen, z. B. auch den von Neapel. Die Engländer haben die Nachfrage erzeugt für das, was als englischer Stil bekannt geworden ist. Was aber eigentlich aus Italien stammt. E. Marinella, der berühmte Krawattenhersteller, machte sich damit einen Namen, dass er die Engländer mit Krawatten beliefert hat. Das Grand Hotel Parker, eines der besten Hotels in Italien, hat einen englischen Namen, weil es von einem Engländer namens Parker gekauft worden ist. Es gibt die Geschichte, dass er das hochverschuldete Haus mit einem Scheck bezahlt hat. Mit anderen Worten: Italienischer Stil und englische Tradition waren untrennbar, mindestens seit Napoleons Niederlage im Jahr 1815. 

Ihre Hemden werden überall in der Welt verkauft. Was ist das Geheimnis Ihres Erfolgs?

Da ich keine Werbung mache und auch sonst keine Anreize bieten kann, muss es daran liegen, dass die Leute, die meine Hemden verkaufen, sie mögen. Ich möchte natürlich auch annehmen, dass sie einfach die besten ihrer Preisklasse sind. Wenn Sie jedoch schauen, wo sie verkauft werden, dann scheint es nach wie vor einen Markt für Menschen mit einem feinen Geschmack zu geben und solche, die gut gekleidet sind oder sich gut kleiden wollen. 

Können Sie unseren Lesern ein paar Ratschläge oder Tipps geben? Wie kleidet man sich gut? 

Vielleicht kann nicht jeder meinen Rat umsetzen, lassen Sie mich aber zwei Schritte vorschlagen. Sehen Sie sich an, wie Sie wirklich sind. Dann fragen Sie sich, wie die anderen ihr wahres Ich sehen sollen. Jeder weitere Ratschlag wäre anmaßend.