Interview mit TWEED-Chefredakteur Michael Graul

Seit Juli 2020 ist die TWEED wieder auf dem Markt, wir haben den neuen Chefredakteur Michael Graul in Hamburg zum Interview getroffen.

Feine Herr: Was ist das Profil der Zeitschrift?

Michael Graul: In der Zeile unter dem Titel steht „Das Magazin für den Mann mit Stil“. Das beschreibt es ganz gut. Wir versuchen Bekleidungstrends im gehobenen Bereich abzubilden. Wir werden im Zweifel nicht über die neue Jeansmode berichten, eher über Anzüge, Hosen, Hemden. Ein großer Schwerpunkt ist die gute, alte  Handwerkskunst. Neben dem Bereich Outfit, der etwas 40 bis 50 Prozent des Hefts ausmacht, haben wir noch die Themenblöcke Taste – da geht es um Esskultur und Trinken, Zigarren –,Travel, also Hotels und Destinationen, und Mobility. Autos, aber auch E-Roller oder E-Bikes.

Wir werden im Zweifel nicht über die neue Jeansmode berichten

Michael Graul

Was unterscheidet die TWEED von Mitbewerbern?

Welche Mitbewerber? In der TWEED lesen Sie z. B. eine Geschichte über einen Handwerker, das ist dann ein sehr menschliches Portrait, sie wird aber auch die Herstellung des Schuhs darstellen und den ganzen Hintergrund der Tradition. Meines Wissens kann man das so nirgendwo anders lesen.

Wie stellen Sie sich den Leser bildlich vor?

Gutgekleidet. Allerdings nicht immer im Anzug, mit Hemd und Krawatte. Unser Leser legt Wert auf passende Accessoires, z. B. die Uhr, oder Manschettenknöpfe, gutes Schuhwerk. Er hat eine hohe Affinität zum nachhaltigen Konsum, er geht allerdings eher zum Schuhmachermeister als ins Kaufhaus. Er ist durchaus traditionell, aber auch absolut modernen Trends zugewandt. Eines ist ganz sicher: Unsere Leserschaft ist zu 100 Prozent männlich…

Bei der Aussage bin ich auf die Leserbriefe gespannt.

Ich auch, vielleicht erleben wir eine Überraschung. Das Alter unserer Leser: ab vierzig, Ende offen. Man ist so jung, wie man sich fühlt.

Unser Leser hat eine hohe Affinität zum nachhaltigen Konsum

Michael Graul

Handgemachte Kleidung, englisches Auto, Zigarren, Whisky – sind diese Vorlieben nicht auch ein Klischee? Ändert sich da nicht gerade sehr viel? Oder sind das wirklich noch die Vorlieben der Leser?

Auch. Aber nicht nur. Wir hatten in der ersten Ausgabe unter meiner Verantwortung einen großen Fahrbericht über den Rolls Royce Cullinan, quasi der Kombi der Marke. Das Auto kostet 321.300 Euro. Das ist natürlich ein kompletter Anachronismus – aber ein echter Hingucker. Die Besitzer solcher Autos machen vermutlich einen winzigen Anteil unserer Leser aus. Die Leute haben aber Interesse, sich sowas anzusehen. Ich gehe allerdings nicht davon aus, dass unsere Leser alle mit SUVs durch die Innenstädte brausen. Deshalb schreiben wir auch über E-Bikes, E-Roller oder Hybrid-Autos. Allerdings müssen die einen gewissen Stil haben. 

Welche Bedeutung haben Uhren? Sind Sie Uhrenfan?

Ich trage gar keine Uhr, habe das auch noch nie getan. Gute Freunde von mir sammeln Uhren, zeigen mir die auch immer. Ich verstehe durchaus den Kult, der um Uhren gemacht wird und interessiere mich sehr für die Kunst des Uhrmachens.

Die TWEED ist bisher nur auf Papier zu haben, ich weiß aber von vielen Leser, die nach einem Onlineauftritt fragen. Gibt es da Pläne?

Als mir die Chefredaktion angetragen wurde, habe ich das auch gefragt: Was passiert im Onlinebereich? Die Antwort lautete: Nichts. Das war ein interessanter Ansatz, weil ich das aus dem Magazinbereich überhaupt nicht kannte. Wir werden da auf jeden Fall was machen. Ich glaube, dass man ein Magazin wie TWEED wunderbar online verlängern kann. Mit Angeboten, die es im Print und digital gibt oder auch nur digital. Ich hoffe, dass wir nächsten Monaten was zustande bringen. Es soll aber gut werden, halbe Sachen möchte ich ungern machen.

Wird es irgendwann einen exklusiven Tweed von TWEED geben? Kooperationen mit Webereien drängen sich da ja geradezu auf. Denken Sie auch in diese Richtung?

Ein exklusiver Stoff wäre sicherlich sehr naheliegend. Ich in ganz viele Richtungen. Ich habe in den letzten 25 Jahren Hefte zu vielen Themen gemacht, so eines wie die TWEED aber noch nicht. Ich finde, es gibt extrem viele Möglichkeiten. Ich habe unheimlich viele Gespräche geführt in den letzten Monaten. Mit Lesern, Anzeigenkunden, Handwerkern, Einzelhändlern. Da kommen unglaublich viele und spannende Ideen. 

Der Wieland Verlag, der Lizenzgeber, ist in Süddeutschland ansässig. Sie sind aber Norddeutscher? 

In Braunschweig geboren und mittlerweie in der Nähe von Hamburg wohnend. 

Was ist Ihr beruflicher Hintergrund?

In Wiesbaden eine Ausbildung zum Redakteur gemacht. Danach sehr lange in München gearbeitet und für Jugend- und Musiktitel geschrieben. Dann als Korrespondent nach Los Angeles, wo ich Leute wie Michael Jackson interviewen durfte. 2004 bin ich nach Hamburg gezogen und habe dort sehr lange für den Bauer Verlag gearbeitet. Danach als selbstständiger Journalist Reisehefte verlegt und zuletzt war ich stellvertretender Verlagsleiter und Chefredakteur bei einem Hamburger Fachverlag. Und seit ein paar Monaten bin ich nun sehr stolzer Chefredakteur von TWEED.