„Handmade“ von der Stange. Ein Konfektionshemd von Luca Avitabile

Der neapolitanische Hemdenmacher Luca Avitabile ist bei englischsprachigen Bespoke-Fans sehr bekannt, da Simon Crompton seit längerem sehr positiv über ihn schreibt. In Deutschland kennen ihn aus eigener Erfahrung wesentlich weniger Kunden. Ein Freund aus Hamburg ist Kunde bei ihm und da sich dieser Freund sehr gut auskennt und mir seine Hemden gefallen, habe ich mich auf der Webseite von Luca Avitabile umgesehen. Am liebsten hätte ich ihn natürlich als Maßhemdenmacher ausprobiert und vorgestellt, da das im Moment nicht geht, habe ich mir stattdessen online eines seiner Konfektionshemden gekauft. Dieses Hemd stelle ich heute vor. Den Maßhemdenmacher Luca Avitabile präsentieren wir später.

Der Online-Shop ist gut gemacht und die Preise sind annehmbar. 200 Euro für ein Hemd „handmade in Napoli“ aus gutem Stoff ist nicht viel. Ich habe mir einen Klassiker ausgesucht, das „Washed Oxford Light Blue Shirt“. So ein Hemd ist zugleich italienisch und amerikanisch. Nach englischen Begriffen passt ein Hemd aus hellblauem Oxfordstoff nicht zum Geschäftsanzug, in den USA ist das Brooks-Brothers-Hemd aus diesem Material dagegen seit Jahrzehnten ein Business-Klassiker. Auch in Italien werden Oxfordhemden im Büro getragen, da sie aber auch als Wochenendhemd ideal sind, nehme ich sie gern als ersten Versuch mit einem Hersteller. Das Hemd wurde in einem braunen Karton geliefert, wenn man ihn öffnet, findet man das Hemd in einem Leinenbeutel vor. 

Als ich das Hemd herausgezogen habe, ist mir zuerst die Weichheit des gewaschenen Stoffs aufgefallen. Und dann der angenehme Geruch. Ich mag es nicht, wenn man ein Hemd aus einer durchsichtiger Kunststoffhülle befreit und einem ein Chemie-Geruch in die Nase steigt. Dieses Hemd wirkte so, als wäre nach dem Zusammennähen gleich noch einmal gewaschen worden – mit einem kaum duftenden Waschmittel. Als zweites fielen mir die flachen Knöpfe auf: Ich hatte im Onlineshop gar nicht darauf geachtet und war nun froh, nicht die in Neapel oft so beliebten dicken Knöpfe vorzufinden. Ich finde, sie lassen sich schwer knöpfen und unter Hosenbund und Krawatte drücken sie manchmal. Luca Avitabile kommentiert das Thema so: „Viele lange Jahre lang waren die dicken Knöpfe ein Markenzeichen des neapolitanischen Hemds für den Gentleman-Dandy. Diese Knöpfe sind nicht mein Geschmack.“ Genauso wenig wie die gerüschten Ärmel übrigens, wie Luca Avitabile hinzufügt: „Ich mag keine auffälligen Details. Bei den Bespoke-Hemden machen wir das auf Wunsch auf sehr subtile Weise“.

Zunächst habe ich das Hemd auseinandergefaltet, um es zu fotografieren. Dabei machte es einen sehr guten Eindruck. Saubere Verarbeitung mit hohem Anteil von Handarbeit. Die Handknopflöcher sind nicht superfein gestichelt, doch das passt zum Oxfordstoff. Es wäre interessant, die Knopflöcher bei einem Hemd aus feinem Vollzwirn-Popeline im Vergleich zu sehen. An der Art des Übergangs zwischen Ärmel und Rumpf ist erkennbar, dass die Ärmel eingenäht werden, nachdem der Rumpf fertig war – das ist die Machart der traditionellen Hemdenschneiderei und gilt vielen Kennern als Qualitätsausweis. Der unverklebte Kragen ist sehr weich, die Kragenstäbchen machen da durchaus Sinn. Sie verleihen den Kragenschenkeln etwas mehr Stand, was den sehr weichen Kragen besser aussehen lässt, wenn man ihn mit Krawatte trägt. Bei förmlichen Hemden bevorzugt Luca Avitabile grundsätzlich den fixierten Kragen: „Bei den Maßhemden verarbeiten wir 90 Prozent auf diese Weise.“ Warum dann unfixiert bei der Konfektion? „Das war ein Experiment aber wir werden damit weitermachen, denn es scheint den Leuten zu gefallen“. 

„Der Schnitt ist beim Konfektionshemd sehr wichtig, es darf nicht zu eng sitzen und nicht zu locker“

Wodurch unterscheiden sich die Bespoke-Hemden, durch die Luca Avitabile bekannt geworden ist, von seinen Konfektions-Hemden? Von dem offensichtlichen Unterschied abgesehen, dass für das Bespoke-Hemd ein individueller Schnitt erstellt wird? „Wir fertigen die Hemden alle in der gleichen Werkstatt, bei der Endverarbeitung gibt es aber ein unterschiedliches Niveau. Bei den Konfektionshemden sind fünf Bereiche von Hand genäht, bei Bespoke sind es acht“, erklärt Luca Avitabile. Beim Konfektionshemd sind die fünf Bereiche die Armlöcher, die Knopflöcher, das Annähen der Knöpfe, die „mouche“ an den Seiten und die Ärmelschlitze. 

„Der Schnitt ist beim Konfektionshemd sehr wichtig, es darf nicht zu eng sitzen und nicht zu locker“, meint Luca Avitabile. Meine Kragenweite ist 40, deshalb habe ich das Hemd in Größe „L“ bestellt. Rumpf und Ärmellänge passen, der Stoff fällt gut und spannt nirgendwo. Der Kragen könnte an der Rückseite einen halben cm höher sein und die Halsweite eine Spur enger. Mit Krawatte getragen ist der Kragen so aber sehr angenehm und auch die Optik stimmt. Vielleicht wird sich die Halsweite nach weiteren Wäschen auch noch geringfügig verändern, insofern ist sie für den Anfang sehr gut. Manche Hemdenmacher aus Neapel statten den Kragensteg mit einer steiferen Einlage aus als den Rest, damit er offen getragen mehr Stand hat. Das ist bei diese Hemd nicht der Fall. Der Stoff ist eine sehr griffige, weiche Vollzwirnware von Thomas Mason, die sich gut bügeln lässt. Für das Foto habe ich das Hemd mit einer Krawatte von E. Marinella und einem leichten Anzug von Belvest kombiniert. Das Hemd sieht offen getragen auch gut aus, es eignet sich sehr gut für Freizeitlooks im Ivy-League-Stil mit Chino und einem leichtem Baumwollpullover oder als mit hellgrauer Fresko-Hose und Sportsakko.

Die Konfektionshemden sind ein einfacher und bezahlbarer Weg, den Hemdenmacher Luca Avitabile auszuprobieren. Immerhin stammen die Hemden aus derselben Werkstatt, die auch sein Bespoke fertigt. 80 Prozent der Kunden stammen aus den USA und England, da Luca Avitabile dort regelmäßig Trunkshows abhält. Seine deutschen Kunden, darunter mein Freund aus Hamburg, fahren zu Luca Avitabile nach Neapel. Für die Zeit nach Corona denkt Luca Avitabile aber durchaus an Trunkshows in Deutschland.