Maßhemd von Polsino in Berlin

Unter den Berliner Maßhemdenanbietern sticht Polsino dadurch heraus, dass die Hemden in Rom im Betrieb der Familie des Geschäftsinhabers Roberto Benignetti genäht werden. Roberto hat 2015 das Geschäft eröffnet, die Hemdennäherei betreibt seine Familie bereits seit 1956. Polsino, was auf Italienisch„Manschette“ heißt, ist im Friseurgeschäft „Gentlemen’s Circle“ angesiedelt. Wenn man es betritt, sind links die Auslagen des Hemdenmachers zu sehen, rechts ist der gemeinsame Wartebereich. Hinten im Laden, an der Hofseite, hat Polsino einen Platz für eine Mini-Werkstatt mit Bügelstation und Nähtisch. Die Umkleidekabine liegt daneben.

Ich bin schon vor ein paar Jahren auf Polsino aufmerksam geworden, als ich bei Gentlemen’s Circle zu einem Vortrag eingeladen war. Probiert habe ich den Hemdenmacher aber erst jetzt. Ich hatte mich dazu entschlossen, als ich von Albini einen Länge Stoff bekommen hatte. Roberto nahm meine Maße und notierte meine Wünsche. Bei der Form des Kragens orientierte er sich an der des Kragens an meinem Hemd von Venturini in Wien. Ich bestellte Knopfmanschetten. Bei der Bestellung ließen wir offen, ob ich Abnäher am Rücken bekomme oder nicht. Die Gesamtlänge sollte etwas großzügiger bemessen sein, als es dem heutigen Modegeschmack entspricht. Für das fertige Hemd habe ich außerdem mein Monogramm geordert. 

Für das erste Hemd bereitet Roberto in aller Regel eine Anprobe mit „tela“ bzw. „toile“ vor, also ein Probierhemd aus einem anderen Stoff mit provisorischem Kragen und Manschetten. Das war auch bei mir der Fall. Das Probierhemd passte ganz gut, es musste lediglich in der Taille etwas weiter gemacht werden. Die Lage der Schulternaht steckte Roberto gemäß meinen Wünschen ab. Außerdem nahm er etwas Weite über der Brust weg, um den Stoff glatter anliegen zu lassen. Die Gesamtlänge stimmte. Die Kragenform hatte er von meinem Hemd kopiert, allerdings einigten wir uns darauf, dass er einen Haifischkragen seines Designs verwenden würde.

Als das Hemd fertig war, konnte ich es aus Termingründen eine ganze Weile nicht abholen. Wir trafen uns erst Ende April zusammen mit unsere Fotografen Tommi Aittala. Als wir zum Termin erschienen, bügelte Roberto gerade noch einmal das Hemd. Dann zog ich es in der Probierkabine über. Mir fiel als erstes auf, dass die Knöpfe kleiner sind, als ich es gewöhnt bin. Und sie sind nicht auf Stiel genäht, was das Zuknöpfen etwas erschwert. Der Kragen sitzt gut, allerdings darf er bei den ersten Wäsche nur noch minimal einlaufen. Wie gewünscht ist er unverklebt verarbeitet, also mit losen Einlage. Die Kragenstäbchen sind nicht herausnehmbar. Ob ich das so bestellt habe, erinnere ich nicht mehr. 

Nicht herausnehmbare Kragenstäbchen haben den Nachteil, dass sie in der Wäsche einknicken und nach einigen Jahren brechen können. Die Knopflöcher sind nicht handgenäht, das wusste ich aber vorher. In der Preislage, in der Polsino sich bewegt, Maßhemden beginnen bei 111 Euro, darf man keine schneidermäßige Verarbeitung mit Finish von Hand erwarten. Die Ärmellänge und die Weite der Manschetten stimmte (links etwas weiter für die Uhr). Interessant sind die Falten, in die der Stoff unter die Manschetten gelegt wurde. Es gibt eine Falte an der Oberseite des Ärmels und eine weitere an der Unterseite. Das ist meinen schmalen Handgelenken geschuldet.

Wie sich das Hemd auf lange Sicht bewährt und ob der Stoff einläuft, muss sich erweisen. Wir werden darüber berichten. Jetzt würde ich den Hemdenmacher Polsino als empfehlenswert bezeichnen, da er für Erstkunden eine Anprobe im Sinne von Bespoke anbietet. Dies ist in der Preislage von Polsino in Deutschland nicht üblich. Für Polsino spricht ebenfalls, dass die Hemden in der Werkstatt von Robertos Familie in Italien gefertigt werden, dadurch sollte gute Kommunikation zwischen Verkäufer und Produktion gesichert sein.