Lorenz Ganter — Trachtenkleidung aus Bayern (Teil 2)

Bevor ich das erste Mal zu Lorenz Ganter nach Ismaning aufgebrochen bin, habe ich Dieter Ganter erzählt, dass ich einen Coupon Jägerleinen von Leichtfried Loden mitbringen möchte. Ich schilderte ihm meine Idee für einen Anzug im Trachtenstil: Die Jacke soll so geschnitten sein, wie die apfelgrüne Leinenjacke, die ich über Campe & Ohff bei Lorenz Ganter bestellt habe. Dazu natürlich Hosen aus dem gleichen Stoff. Ich fragte also, ob man bei Ganter auch Hosen fertigt. Dieter Ganters Antwort war so zurückhaltend formuliert, dass ich den Eindruck hatte, er macht Hosen ungern: „Ja, die machen wir schon. Wir haben aber nur zwei Grundformen“. Ich sagte deshalb, dass ich die Hose auch bei einem anderen Konfektionär schneidern lassen könnte. Dieter Ganter schlug aber vor, dass ich mir seine Hosenmodelle beim nächsten Besuch ansehen sollte.

Während der Besichtigung fielen mir dann die gestreiften Cut-Hosen auf, die bei Ganter von der Stange zu haben sind. Sie sind hoch geschnitten, haben eine Rückengurt und Bundfalten. Die Knöpfe für die Hosenträger sind, so wie bis in die 1920 Jahre üblich, außen am Hosenbund angenäht. Als wir uns am Anschluss an die Besichtigung im Laden, der vorn im Firmengebäude liegt, meinem Anzug widmeten, war ich in Hinblick auf die Hose sicher, dass ich sie bei Ganter machen lassen würde. Doch zunächst widmeten wir uns der Jacke. 

Meine erste Leinenjacke von Ganter basierte auf einer Gr. 50. Mir wurde nun die 48 empfohlen. Ich probierte eine Musterteil an und war zu 95 Prozent überzeugt, dass diese Grüße besser ist. Es fehlten 5 Prozent, weil das Musterteil einen Rückengurt hatte und dadurch etwas anders fiel. Ich stimmte aber schließlich dem Größenvorschlag zu. Auf die Schulterpolster wollte ich wieder verzichten. Die Ärmellänge wurde an dem Teil abgemessen und an meine Figur angepasst. Meine Arme sind länger als gewöhnlich bei dieser Konfektionsgröße und außerdem ist der rechte Arm 0,5 cm länger als der linke. Ansonsten gab es an dem Schnitt nichts zu ändern. Dieter Ganter notierte lediglich, dass ich wieder auf die Schulterpolster verzichte. Dafür wird der Schnitt geringfügig modifiziert, was Dieter Ganter aber automatisch macht, wenn er ihn konstruiert.

Nun widmeten wir uns der Hose. Dieter Ganter brachte mir ein Muster in Gr. 48. Das saß allerdings eine Spur zu stramm und zu dicht am Gesäß. Von den Maßen her war die 48 korrekt, mir war sie aber zu eng. Ich probierte also die 50 und die saß genau so, wie ich es mir vorstelle. Dieter Ganter war ein wenig überrascht, ich hingegen nicht. Ich wähle Hosen, die traditionell geschnitten sind, in der Regel eine Nummer größer, dann sitzen sie meistens besser. Ich verzichtete auf Gesäßtaschen sowie auf die Beintasche für ein Messer. Bei den gestreiften Cuthosen zur Tracht ist sie üblich und ich zog sie kurz in Erwägung, verzichtete dann aber doch darauf. Die Gesamtlänge wurde noch nicht gemessen, da wir vereinbarten, dass die Hosen ungesäumt geliefert werden soll. Am Ende sprachen wir über ein mir wichtiges Detail: Die Bundfalten wollte ich als „forward pleat“, also nach innen gelegt. Dieter Ganter hatte sie so noch nicht gemacht, wollte aber gern meinem Wunsch entsprechen.

Am Ende wählte ich noch den grünen Filz für den Kragen aus das Futter für die Jacke. Ich nahme einen etwas helleren, frischeren Grünton. Für das Futter schwebte mir goldgelber Satin vor und wir fanden schnell die richtige Qualität im Stoffmusterbündel. Dieter Ganter wollte das dazu passende, gestreifte Ärmelfutter finden. Für die Knöpfe wählte ich Hirschhorn aus. Am Ärmelabschluss empfahl mir Dieter Ganter einen Zierstreifen aus grünen Filz, auf den die beiden Ärmelknöpfe genäht werden. Ich schwankte zunächst, da der Ärmelabschluss bei meiner ersten Jacke von Ganter ohne diese Verzierung auskommt, folgte dann aber der Empfehlung. Nicht zuletzt, weil man den Streifen auch wieder entfernen kann, wenn er mir nicht gefallen sollte.

Wir vereinbarten, dass ich einen Nachricht bekomme, wenn der Anzug fertig ist. Ich wollte es aber so einrichten, dass ich den Anzug selbst abhole. Mir war es wichtig, dass wir ihn gemeinsam ansehen und die Hosenlänge abstecken. Am 19. Januar 2024 wurde die Bestellung aufgenommen, am 13. März 2024 war ich dann erneut in Ismaning, um den Anzug abzuholen. Die Herstellung des Anzugs hat Dieter Ganter in vielen Einzelheiten fotografisch und mit einem Video dokumentiert und uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt. So können wir also alle Stufen der Fertigung zeigen, obwohl wir nicht dabei waren. 

Bei meinem Besuch im Januar hatte noch Schnee, gelegen Mitte März war es mild und sonnig. Ich fuhr am Nachmittag direkt vom Hauptbahnhof München weiter nach Ismaning und traf dort um 15 h ein. Der Anzug hing schon im Laden für mich bereit und er gefiel mir noch besser, als auf den Fotos, die ich vorab bekommen hatte. Das Jägerleinen ist ein Stoff, der mehrere Farbschattierungen hat, es ähnelt entfernt dem Solaro. Bei einem neuen Anzug ist es so glatt, wie es nach dem ersten Tragen nicht wieder sein wird. Sofern man es nicht nachbügelt. Allerdings darf Jägerleinen gar nicht vollkommen glatt sein, viel charmanter sieht es aus, wenn es ein wenig getragen wurde. Übrigens ist diese Ware kein reines Leinen, es ist vielmehr ein Gemisch aus Baumwolle und Leinen. Dadurch knittert es etwas weniger.

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Ich nahm den Anzug mit in die Umkleidekabine und zog zunächst die Hosen an. Wir knöpften Hosenträger an und stellten sie auf die richtige Länge ein. Dann justierte Dieter Ganter noch den Rückengurt und nun konnte ich die Hosen im Spiegel betrachten. Sie saßen sehr gut – etwas voller im Bein und die Fußweite nicht zu knapp bemessen. Die Bügelfalte verläuft senkrecht über die Mitte des Knies. Die nach innen gelegte Bundfalte war sehr gut gelungen. Es bedurfte dazu keiner Schnittabänderung, sie muss nach dem Zuschnitt nur andersherum gelegt werden. Dieter Ganter maß nun die Länge der Hosenbeine nach seiner eigenen Methode mit Hilfe einer Art von Schablone ab und notierte das Maß für die Schneiderin. Ich trug an diesem Tag Chukkaboots, die ich zu diesen Hosen nicht anziehen würde. Da Dieter Ganter die Hosenlänge abgemessen und nicht abgesteckt hat, machte das nichts. Ich stand auf Strümpfen da, er nahm den Fußboden als Endpunkt für die Messung. Der Fußboden ersetzte die Sohle des Schuhs, auf der man ja auch steht. Entscheidend für die Messung ist, dass die Hose hinten etwa bis zur Mitte der Ferse reicht und vorn auf dem Spann des bestrumpften Fußes leicht einknickt. 

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Dann half mir Dieter Ganter in die Jacke. Auch sie saß sehr gut. Meine Unsicherheit über die Größe erwies sich als unbegründet, ich war froh, dass ich Dieter Ganters Empfehlung gefolgt war. Die Gesamtlänge war optimal, die Schultern ohne Polster wirken natürlich. Die leicht abgerundete Form empfinde ich als elegant und zugleich passend zum ländlichen Stil des Anzugs. Die Kellerfalte am Rücken gibt viel Bewegungsfreiheit, was den Anzug, gerade in Kombination mit den von Hosenträgern gehaltenen Beinkleidern, äußerst bequem macht. Die Ärmel sitzen sehr gut und ohne Falten an der Rückseite. Die Länge war perfekt bemessen, die Hemdenmanschette schaut genau so weit heraus, wie ich es mir vorgestellt hatte. Angesichts der Passform von Hose und Jacke und im Bewusstsein dessen, dass der Schnitt von Jacke und Hose nicht abgeändert worden ist, von der Länge der Ärmel abgesehen, ist das Ergebnis sehr überzeugend. Als ich das äußerte, wehrte Dieter Ganter bescheiden ab und lobt im Gegenzug meine Figur, die sehr einfach sei. Das mag sein, dennoch wurden für diese Figur schon einige Teile nach Maß gefertigt, entweder industriell oder handwerklich, die nicht so gut saßen wie dieser Anzug. Sicherlich gibt es aber Kunden, der Körper für Dieter Ganter eine größere Herausforderung sind.

Ich zog mich nun rasch um, damit meine Hose noch gekürzt werden konnte. Eine Mitarbeiterin war länger geblieben und machte sich sofort an die Arbeit. Ich schoss einige Fotos davon, wie sie die Länge mit Schneiderkreise anzeichnete, den überschüssigen Stoff abschnitt, das Stoßband annähte, die Hose umschlug und schließlich annähte. Dieter Ganter hatte mich vorher gefragt, ob der Saum wie bei einer Anzughose ausgeführt werden soll oder sportlich wie bei einer Chino. Ich wählte die förmlichere Variante, weil mir diese passender erschien bei diesem Hosenschnitt. Nach der Änderung zog ich die Hosen erneut an und die abgemessene Länge erwies sich als korrekt: Wie vorhergesagt fallen die Hosen gerade herab und knicken auf dem Spann ganz leicht ein.

Wie auch schon bei der ersten Bestellung bin ich auch mit diesem Anzug ingesamt sehr zufrieden. Die Einzelbestellung in Konfektionsgrößen mit nur kleinen Änderungen an Längen- und Umfangmaßen, sind eine gute Alternative zur Maßkonfektion. Der Kunde sieht schon beim Anprobieren des Musterteils, was ihn erwartet. Der Anbieter muss beim Schnitt nicht „das Rad neu erfinden“, er kann sich auf Anpassungen beschränken, um Änderungen vorweg zu nehmen. So z. B. bei der Gesamtlänge, der Länge der Ärmel oder bei der Bund- und Beinweite der Hosen.Den Vergleich mit Maßschneiderei zu ziehen, ist schwierig. Lorenz Ganter will da keineswegs in Konkurrenz treten. Ein Maßschneider wird viele Arbeitsschritte, die bei Ganter mit Hilfe von Maschinen erledigt werden, mit der Hand ausführen. Bei der Jacke führt das im Detail zu einer besseren Passform, bei den Hosen sind die Unterschiede jedoch überwiegend kosmetisch. Ich händisch genähte Kleidung, dennoch bin ich mit dem Qualitätsniveau von Lorenz Ganter sehr zufrieden. Handgenähte Knopflöcher vermisse ich dabei nicht so sehr, dass ich einen Extraaufwand treiben würde. Vielleicht wäre es z. B. möglich, sich die Sachen ohne Knopflöcher liefern zu lassen und dann bei einem Schneider Handknopflöcher hinzufügen zu lassen. Das wäre m. E. aber unpassend. Gute Konfektion sollte nicht vorgeben, etwas zu sein, was sie nicht ist. Der Anzug von Lorenz Ganter ist so wie er ist, hervorragend. Ich denke, dass die Bilder dies gut illustrieren. Ansonsten bleibt es jedem überlassen, die Werkstatt in Ismaning zu besuchen, und es dort selbst zu versuchen. Ich kann das auf jeden Fall empfehlen. Wer einen Termin vereinbaren möchte, kann Dieter Ganter eine E-Mail schreiben unter mail@lorenz-ganter.de.