„Für Menschen statt Dresscodes“ – so das Motto des neuen Berliner Labels Manheimer. Auf Englisch heißt das dann „formalwear for informal people“. Vor einigen Jahren habe ich mit ähnlichen Worten die Mode beschrieben, die Bent Angelo Jensen für sein Label Herr von Eden entwirft: „Anzüge für Männer, die eigentlich keine Anzüge tragen“. Dieses Motto könnte heute fast jeder Anbieter von Anzügen verwenden, denn der deutsche Mann trägt bekanntlich lieber Casual-Kleidung. Speziell in Berlin sind Anzüge eher eine Seltenheit im Straßenbild. Dennoch gibt es in der Hauptstadt eine Reihe von Anzugmachern. Auf der klassischen Schiene fährt Manheimer aber nicht. Die Kollektion ist modern, lässig und clean. Tragbar für jeden, der sich als modernen Gentleman positioniert.
Die Firmenzentrale von Manheimer liegt etwas versteckt in einem alten Betriebsgelände an der Uferstraße im Berliner Stadtteil Wedding. Auf den ersten Blick wirkt das Areal verlassen, beim zweiten Hinsehen entdeckt man im ehemaligen Pförtnerhaus ein Café. Zwischen einigen abgestellten LKWs und Transportern kommt ein Mann im Anzug hervor und winkt uns heran. Es ist Ingo Brinkmeier, der „Head of Product“, mit dem wir den Termin am Telefon vereinbart haben. Er führt uns in den Showroom, dort sitzt zwischen Kleiderstangen mit Anzügen Geschäftsführer Lothar Eckstein an seinem Laptop.
Die Geschichte des Labels ist schnell erzählt. Lothar Eckstein und Ingo Brinkmeier haben es zusammen mit einigen weiteren Investoren gerade erst gegründet, am Markt sind sie Anfang des Jahres 2020. Die Berliner Presse hat darüber schon berichtet, denn der Markenname hat Bezug zur Lokalgeschichte. Im Tagesspiegel ist nachzulesen, dass Valentin Manheimer ein Berliner Modeunternehmer war. 1837 hat er mit seinen Brüdern einen der ersten Modebetriebe der damaligen Reichshauptstadt gegründet, 1889 erfand er zusammen mit Herrmann Gerson die Konfektion. Viel mehr „Heritage“ braucht es nicht, Manheimer steht modisch im Heute.
Die Kollektion umfasst Anzüge, Sakkos, Mäntel, Hosen, Strick und einige Accessoires. Die Stoffe stammen aus Italien und dort wird auch fast alles genäht und gewirkt. Man sieht das auch sofort an der Verarbeitungsqualität. Der Schnitt von Manheimer in Deutschland entwickelte Schnitt ist italienisch inspiriert, dabei sehr tragbar für deutsche Staturen. Am besten wirkt die schmale Silhouette an schlanken Figuren, über die Maßkonfektion kann Manheimer aber jeden Kunden bedienen. Sie wird im gleichen Werk gefertigt wie die Ready-to-wear. Der Fokus liegt auf dem Onlinehandel, für die nötigen Änderungen liegt jeder Lieferung ein Gutschein bei. Den kann man bei Änderungsschneidereien einlösen, die mit Manheimer zusammenarbeiten. Die Mäntel werden in Berlin genäht, was heutzutage bei Konfektion bemerkenswert.
Um einen Eindruck von Passform und Tragegefühl zu bekommen, habe ich von der Stange ein dunkelblaues Sakko in Größe 46 probiert, hellgraue Hosen in 48 sowie das Mantelmodell Berlin (auch 48). Es wird mit einem Gürtel geschlossen, den man knotet, Knöpfe gibt es nicht, deshalb ist der Mantel für Männer und Frauen tragbar. Das Sakko hat eine weit nach hinten verlegte Schulternaht, es ist extrem leicht verarbeitet, der Schnitt ist körpernah. Die Hosen werden mit offenem Saum geliefert, würde die Fotos haben wir sie umgeschlagen. Das Sakko passte mir sehr gut und trug sich sehr angenehm. Die Hosen sind schmal geschnitten, tragen sich aber bequem. Das Highlight der aktuellen Kollektion war das Mantelmodell „Berlin“ aus dunkelblauem Wollstoff, der Schnitt war für meine Figur hervorragend. Der graugemusterte Stoff ist überraschend leicht, der Schnitt identisch. Interessant wäre es, die Maßkonfektion zu probieren. In Berlin bietet Manheimer dafür zur Zeit einen Homeservice an, ansonsten kann man auch einen Termin im Showroom machen.
Fotografie: Der Feine Herr, Tommi Aittala und Martin Smolka.