Für seine Follower und Kunden ist Maximilian Mogg eine Stil-Ikone. Und er sieht wirklich sehr gut aus. Schlank, das wellige Haar gescheitelt, Fassonschnitt. Dunkelgrauer Flanell-Zweireiher, der Kragen des weißen Hemds auffallend lang im Stil der 1940ern, dazu eine Krawatte aus bedruckter Seide. An den schmalen Füßen schwarze Oxfords, erkennbar nicht von Leonard Kahlcke, dem Frankfurter Schuhmacher, bei dem Maximilian Mogg regelmäßig Trunkshows abhält. Mogg trägt heute ausnahmsweise Gaziano & Girling, die Schuhe machen einen schlanken Fuß, die 44,5 sieht aus wie eine 42. Maximilian Mogg würde in der Savile Row nicht auffallen, dort könnte man ihn für einen Zuschneider halten, einen stilvollen Kunden oder auch einen Galeristen oder Weinhändler. Für Berlin ist sein Look dagegen ungewöhnlich, selbst in Charlottenburg, dem in modischer Hinsicht klassischsten und anglophilsten Stadtteil. Wer einen Covert-Coat mit Samtkragen sucht oder Hosen aus Kord von Brisbane Moss, wird bei Chelsea Farmers Club fündig. Rasierwasser von DR Harris oder Seife von Trumper’s gibt es bei The English Scent, Anzüge nach Maß bei verschiedenen Maßkonfektionären. Die Herrenschneider sind dagegen weggezogen oder verstorben. Berlins bekanntester Nadelkünstler Volkmar Arnulf empfängt jetzt in Potsdam. Aber es gibt ja Maximilian Mogg. Seit 2018 in der Bleibtreustr. 27. Die Straße ist sehr bekannt in Berlin, sie bietet den für den alten Westteil typischen Mix aus zum Teil sehr spezialisierten Einzelhändlern und vielfältiger Gastronomie. Die Hausnummer führt nicht in den belebtesten Abschnitt. Aber immerhin. Ein Schaufenster in Charlottenburg, wenige Minuten vom Kurfürstendamm entfernt, das ist schon etwas für einen 27-jährigen.
Ohne Anmeldung sollten Interessenten nicht vorbeikommen, auch nicht während der Öffnungszeiten. Manchmal ist die Tür zu, dann besucht der Inhaber gerade einen Kunden oder kauft gerade neuen Kaffee, Champagner oder Zigaretten. Wer einen Anzug bestellen will, macht ohnehin einen Termin aus. Das kann schon mal über Kommentare bei Instagram ablaufen, meistens aber per Direktnachricht. Instagram ist die Erweiterung des real existierenden Schaufensters in der Bleibtreustraße, durch Instagram ist Maximilian Mogg bei „Sartorialisten“ aus aller Welt bekannt.
Die Herrenschneider sind weggezogen oder verstorben. Aber es gibt ja Maximilian Mogg.
Bernhard Roetzel
Wenn er auf der Pitti Uomo auftaucht, der wichtigsten Herrenmodemesse der Welt, dann wird er häufig angesprochen und fotografiert. Noch häufiger, seit seine erste Kollektion bei Mr Porter verkauft wird. Das Online-Portal bewirbt Mogg und Kollektion mit aufwändig gemachten Fotos und Videos, andere Designer würden viel darum geben. Wenn man Mogg im wirklichen Leben begegnet, lernt man einen sehr höflichen jungen Mann kennen. Frauen küsst er die Hand, vor älteren Herren neigt er bei der Begrüßung den Kopf. Als Koblenzer spricht er mit kaum hörbarer moselfränkischer Einfärbung, sein flüssiges Englisch klingt sehr britisch. Tatsächlich könnte er vom Namen her sogar Brite sein, Mogg ist urenglischer Name, den es in verschiedenen Abwandlungen gibt. Rein äußerlich würde Maximilian – oder Max, wie ihn seine Freunde nennen – glatt als entfernter Cousin des Tory-Politikers Jacob Rees-Mogg durchgehen.
Der Laden in der Bleibtreustraße ist nicht auf englischen Club getrimmt. Das Sofa stammt aus dem Biedermeier, man sitzt also nicht auf dem bei Schneidern so beliebten Chesterfieldsofa aus Leder. Das Ölgemälde an der Wand zeigt einen bärtigen Mann, der an Dostojewski erinnert. Das Bild ist fast so etwas wie Moggs Markenzeichen, es hing schon in seinem Kreuzberger Wohnungsatelier, seine Instragam-Follower kennen es von vielen Aufnahmen. In Kreuzberg hatte er 2006 seine ersten Schritte als Einzelhändler gemacht mit Savile-Row-Anzügen, die er für seine Kunden umgearbeitet hat. Die Maßanzüge waren teilweise gebraucht, zum Teil aber auch neu. Mogg hatte die Idee, Londoner Ateliers nie abgeholte Teile abzunehmen. Dank Social Media und seiner Aktivitäten als Blogger und Journalist wurde Mogg relativ schnell bekannt. Ein erster Coup gelang ihm, als er den legendären Londoner Schneider Edward Sexton für Trunkshows nach Berlin holte. Sexton war Zuschneider bei Tommy Nutter, dem modischen Avantgardisten unter den Savile-Row-Schneidern, in den 70ern hat er Anzüge für Mick Jagger und seine Frau Bianca sowie diverse andere Stars zugeschnitten.
Mogg ist in London bestens vernetzt, er kennt viele Praktiker aus der Savile Row. Schneider, Modellmacher und Designer, aber auch Kunden mit Geschmack. So hat er sich auch ohne Schneiderlehre zum „cutter“ ausgebildet, durch „learning by doing“ und das Studium alter Zuschneidebücher. Deutschen Vorstellungen von Ausbildung im Handwerk läuft das komplett zuwider, in London ist es dagegen seit über 100 Jahren üblich, dass die Verkäufer in den großen Häusern der Savile Row nur den Zuschnitt beherrschen, nicht aber das Nähen. Mogg war schnell klar, dass er es mit 24 Jahren nicht mehr so erlernen kann, wie die „coat maker“ und „trouser maker“, die oft schon mit 16 ihre Lehre begonnen haben. Das Zuschneiden sieht er dagegen nicht als Buch mit sieben Siegeln und so hat er die Schnitte seiner Made-To-Measure-Linie tatsächlich selbst entwickelt. Demnächst wird es von Maximilian Mogg auch „bespoke“ geben, zugeschnitten von Chef des Hauses direkt im Laden in der Bleibtreustraße. Der Zuschneidetisch wird gerade gebaut.
Die Anzüge von Mogg sind Maßkonfektion mit „full canvas“ und sie werden zwei bis dreimal probiert. Mogg nimmt vorher ganz traditionell Maß, Schlupfmuster verwendet er nur, um bei Bedarf die Haltungsmaße und die Balance zu überprüfen. Bei der Schnittaufstellung baut Mogg viel Spiel ein, da er die Anzüge lieber bei den Anproben perfektioniert. Anders als der Einzelhandel, der dem Kunden möglichst viel in möglichst kurzer Zeit verkaufen will, setzt Mogg auf Langsamkeit. Die Kunden genießen die Anproben als Auszeit. Und je häufiger und länger sie bei ihm zu Gast sind, desto mehr Zeit hat er, ihnen Stoffe zu zeigen und Ideen zu besprechen. Seine Kunden sind zum großen Teil junge Kenner, sie tragen überwiegend die Zweireiher in Moggs von Edward Sexton inspiriertem „house style“ mit breiten Revers, der durch hohe Armlöcher betonten Taille, etwas tieferer Knopfstellung, langen Seitenschlitzen und traditionell geschnittenen Hosen mit Bundfalten, Seitenschnallen und größerer Fußweite.
Anzüge „to go“ von Maximilian Mogg gibt es zur Zeit nur bei Mr Porter. Die dort angebotene Prêt-à-porter hat laut Mogg zwei Besonderheiten. Die unterschiedlichen Größen werden erstens nicht einfach linear gradiert, die 54 ist also nicht eine vergrößerte 48. Mogg erklärt vielmehr, dass eine große Größe „anders geschnitten wird“, weil die Körperform eine andere sei. Zweitens werden die Anzüge für Mr Porter genauso zugeschnitten und genäht wie die Einzelanfertigungen. Nur eben auf Vorrat und in vorgegebenen Größen. Preislich lohnt sich der Kauf der Konfektion im Vergleich zum Maßteil nicht unbedingt, ein Doppelreiher aus grauem, gestreiften Flanell von Vitale Barberis Canonico kostet bei Mr Porter z. B. 1.820,00 Euro. In Berlin ist man bei den Maßanfertigen aus italienischen Stoffen ab 1.500,00 Euro dabei, mit der von Mogg bevorzugten britischen Ware, z. B. von Fox Brothers, liegt der Zweiteiler bei etwa 1.850,00 Euro. Wer auf die Bespoke-Anzüge des Hauses nicht warten will, kann in der Bleibtreustraße einmal im Monat den slowakischen Herrenschneider Maximilian Mucska treffen. Bei ihm ist man ab 3.600,00 Euro dabei. Ein bisschen Mogg bekommt man dann auch schon, denn er berät den Kunden gern bei der Bestellung. Was in seinen vier Wänden geordert wird, soll immer seine Note haben.
Fotografie von Tommi Aittala.