10 Essentials für den Gentleman

Listen sind beliebt, sie tauchen immer zu verschiedenen Themen auf. Best Dressed Men, Uhren, Autos, Weine. Die 10 Menswear Essentials, die ich aufliste, stellen natürlich keine komplette Garderobe dar. Und wenn ein Teil auf dieser Liste auftaucht, dann heißt es nicht, dass dieses eine Teil ausreicht. Beispiel Hemd: Das Hemd an sich ist unentbehrlich, dennoch braucht man mehr als eins. Diese Liste stellt also einfach nur Teile vor, die in der klassischen Garderobe nicht fehlen sollten.

1. Das Hemd

Oft werde ich gefragt, was das wichtigste Basic ist. Früher habe ich häufig den Schuh genannt, im Moment an erster Stelle das Hemd. Hemd zu tragen, beweist Sinn für klassische Mode und die Bereitschaft, einen gewissen Aufwand zu treiben. Hemden müssen gewaschen, auf der Leine getrocknet und gebügelt werden. Wer sich diese Arbeit macht, lebt einen bestimmten Stil. Als Beispiel zeige ich ein Hemd aus hellblauem Oxford von Budd Shirtmakers in London. Es ist für mich das Hemd schlechthin. Das Hemd aus Vollzwirnpopeline mit Doppelmanschetten ist sicherlich förmlicher und die bessere Wahl zum Anzug, das Allroundhemd für alle Gelegenheiten ist das Oxford-Hemd mit Knopfmanschette.

2. Die Tweedjacke

Die Tweedjacke ist das Schweizer Taschenmesser der klassischen Garderobe. Bei allen Anlässen unterhalb der Schwelle für den dunklen Anzug ist man mit einer guten Tweedjacke richtig angezogen. Und bei vielen Gelegenheiten, für die manche Männer einen Anzug wählen, ist man mit einem Kombination aus Tweedjacke und Tuchhose besser gekleidet. Wenn ich von „guter Tweedjacke“ rede, dann meine ich damit schottischen Stoff, klassischen Schnitt und korrekte Details ohne modischen Schnickschnack wie z. B. farbigen Unterkragen oder Lederflecken an den Ellenbogen einer neuen Jacke. Als Beispiel zeigen wir eine Tweedjacke von Anderson & Sheppard in London. Natürlich gibt es auch sehr gute Tweedjacken von der Stange, z. B. bei dem englischen Ausstatter Cordings of Piccadilly oder in Deutschland bei Eduard Meier in München. Maßarbeit ist schön, keinesfalls ein Muss.

3. Der schwarze Oxford-Schuh

Wer einen blauen oder grauen Anzug besitzt braucht auch ein Paar schwarze Oxfords mit glatter Kappe. Dieser Schuh ist der förmlichste und seriöseste Schuh für den Herrn. Er ist zugleich Symbol für die Auflockerung der Herrenmode nach 1918 und der Begleiter des ebenfalls noch recht jungen Sakkoanzugs. Der schwarze Oxford mit glatter Kappe ist Teil des Businessoutfits und er wird abends bei den Gelegenheiten getragen, die den dunklen Anzug erfordern. Man kann den schwarzen Oxford auch zum Smoking tragen, sofern man keine Lackpumps besitzt. Wir zeigen als Beispiel ein Modell des legendären englischen Manufaktur Edward Green auf dem Leisten Nr. 202. 

4. Der Anzug

Viele Männer tragen nur selten einen Anzug. In den Büros herrscht oft kein Dresscode mehr, mit einer Tweedjacke ist man dort korrekt aber nach heutigen schon beinahe zu förmlich gekleidet. Dennoch sollte man einen Anzug im Schrank hängen haben, denn hin und wieder benötigt man ihn. Ob nun für ein Abendessen im privaten Kreis, eine Feier, eine Vernissage, einen Abend im Theater oder Konzertsaal. Ob man einen Einreiher oder den Zweireiher wählt, ist eine Frage des Geschmacks und des persönlichen Stils, beide Modelle sind im Hinblick auf den Dresscode gleichwertig. Ein Anzug mit Weste aus mittelschwerem Stoff ist eine gute Wahl, wenn man einen Allroundanzug benötig. An kälteren Tagen trägt man ihn mit Weste, im Frühjahr und im Sommer ohne. Als Beispiel zeigen wir einen Anzug von der Stange aus der Kollektion des Londoner Ausstatters und Schneiders Ede & Ravenscroft.

5. Der Chukkaboot

Wenn andere Männer Sneakers tragen, tritt der klassisch gekleidete Mann in Chukkaboots an. Sie sehen am besten mit eher schmal geschnittenen und etwas kürzeren Hosen aus, also z. B. der Chino, Hosen aus Kord oder Moleskin oder auch Jeans. Chukkaboots sind verwandt mit dem Desertboot, sie sind aber förmlicher und auf sportliche Art eleganter. Es gibt sie mit Ledersohlen oder mit Sohlen aus Gummi. In jedem Fall sollten die Sohlen nicht zu dick sein, damit die Stiefelette ihre schlanke und elegante Silhouette behält. Chukkaboots werden auch zum Anzug kombiniert, sie passen gut zu Tweed, Whipcord oder Glencheck. Alle englischen Manufakturen bieten Chukkaboots an, hier ein Beispiel aus der Kollektion von Crockett & Jones. Chukkaboots sollten in jedem Fall Braun sein. Mein Favorit ist dabei helleres Braun.

7. Die Chino-Hose

Die Chino als Essential? Nicht die grauen Flanellhosen? Oder die Hosen aus Cavalrytwill oder Moleskin? All die genannten Hosen sind Klassiker und unentbehrlich. Sie sind aber entweder schon recht förmlich oder einer bestimmten Jahreszeit vorbehalten. Chinos sind dagegen gute Allroundhosen in einer lässig gekleideten Welt. Nun wird man nicht bei Minusgraden in leichten Chinos herumlaufen. Es wäre aber eher realistisch, dass man Chinos aus schwerem Baumwolltwill im Winter trägt als Moleskinhosen im Sommer. Chinos lockern die Tweedjacke auf und geben dem Hemd das Plus an Förmlichkeit, das die Jeans manchmal vermissen ließe. Wir zeigen als Beispiel Chinos aus der Kollektion von Drake’s.

8. Der Regenmantel

Heller Regenmantel, Slipon

Barbourjacke, Huskyjacke und Covertcoat sind die großen Klassiker des Gentleman-Stils, warum soll der Regenmantel mit Raglanärmeln aus Baumwollgabardine wichtiger sein? Weil der Regenmantel, so wenig effektiv er in dieser Ausführung vor Regen schützt, die weniger offensichtliche Wahl ist. Vor allem ist er aber der Mantel, der davor bewahrt, in die Karikatur abzurutschen. Man stelle sich vor, man trägt Hemd, Chinos, Tweedjacke, Chukkaboots und darüber einen gut eingetragenen Gabarinemantel. Man wäre in London, Paris, New York, Tokio oder Hamburg korrekt und zugleich unauffällig gekleidet. Mit der Barbourjacke schreien wir den Mitmenschen unser stilistisches Bekenntnis ins Ohr, mit dem Regenmantel beten wir es leise vor uns hin. Als Beispiel zeigen wir meinen von Grenfell für Ladage & Oelke gefertigten Mantel, für kältere Tage gibt es dazu ein Wollfutter zum einzippen.

9. Der Pullover mit V-Ausschnitt

Die Worte „Freizeitkleidung“ und „Loungewear“ haben im Ohr des klassisch gekleideten Mannes einen unangenehmen Klang. Die Kleidung dieser Kategorie hat keinen Platz in seinem Schrank. Er besitzt Kleidung und Schuhe für das Land oder das Wochenende in der Stadt, grundsätzlich kleidet er sich aber immer nach der Grundformel Oberhemd, Hose, Strümpfe, Schuhe und Sakko oder – am Abend oder außer Dienst – Pullover mit V-Ausschnitt aus Lammwolle. Der Pullover mit V-Ausschnitt ist unentbehrlich für entspannte Momente. Natürlich immer in Kombination mit einem Oberhemd. Das geht mit Anzughose oder mit Chino, mit Kordosen oder Jeans. Wenn man Fotos wirklich gut gekleideter Männer aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts studiert, wird man immer auf diesen Pullover stoßen. Die Italiener lieben ihn genauso wie die Briten, nur dass die Italiener ihn auch mal um die Schultern gelegt tragen. Im britischen Stil ist das nicht vorgesehen, es wird mittlerweile jedoch langsam akzeptiert. Grundsätzlich wird der Pullover aber immer noch angezogen. Wenn es zu warm für ihn ist – den Briten wird es schnell zu warm, denn sie sind kalte Häuser gewohnt – zieht man ihn aus. Als Beispiel zeigen wir den geradezu „ikonischen“ V-Auschnittpullover von William Lockie aus dem Sortiment des niederländischen Ausstatters Shoes & Shirts in Maastricht.

10. Der Hut

Ist der Hut wirklich essentiell? Ich würde es klar bejahen. Der Hut war immer schon die Kopfbedeckung des Herrn. Mützen werden eher auf dem Land getragen, keinesfalls aber als Hutersatz in der Stadt. Wenn man Hut trägt, dann immer nur auf der Straße und nicht in privaten Innenräumen. Man behält ihn also in der Bahnhofshalle auf, nicht aber in der Wohnung oder im Restaurant. Darin unterscheidet sich der klassische Hutträger von den modischen Hutträgern, die ihre Kopfbedeckung stets aufbehalten. Religiöse Gründe, den Hut ständig zu tragen, sind natürlich zu respektieren, sie sind für diesen Zusammenhang aber nicht relevant. Der klassische Hut ist nicht so breit gekrempt wie der Hut des Poeten oder des Abenteurers, seine Krempe ist aber auch nicht zu schmal. Optimal ist ein brauner Trilby, hier ein Beispiel aus dem Sortiment von Lock Hatters in London. 

  1. Hallo Herr Roetzel,

    ich bin ja eine Riesenfan von Ihnen; haben Sie mir doch durch Ihr Buch “ Der Gentleman “ ab der ersten Ausgabe den Weg hin zu stillvoller Herrenmode aufgezeigt. Mittlerweile habe ich fast jedes Buch von Ihnen gelesen und finde Ihre Beiträge in der Tweed auch immer spannend. Ich liebe Tweedstoffe, englische Schuhe von Edward Green und Crockett and Jones und schöne Schales v. Drakes.

    Jedoch musste ich mit der Zeit feststellen, dass mir der italiensiche, insbesondere, der neapolitanische Kleidungsstil doch besser gefällt. Und so haben heute Sakkos und Anzüge v. Kiton, Cesare Attolini und Stile Latino, Hemden v. Kiton, Borelli und Finamore, sowie Strickwaren v. Corte de Kel und Cruciani die zuvor erworbenen englischen Kleidungsstücke verdrängt. Auch bei den Schuhen habe ich ein neues Label durch Sie entdeckt. Die tollen Schuhe v. St. Cripin`s aus Wien.

    Mein bevorzugter Händler, sowohl für die neapolitanischen Firmen wie auch für die St. Crispin´s Schuhe,ist Herr Müssig v. M & W Mode in Bad Soden a. T. Der Mann ist ähnlich wie Herr Jondral eine Koryphäe, wenn es um neapolitanische Mode geht. Super in der Beratung. Schöne Auswahl in seinem stilvollen Geschäft, immer sehr freundlich.

    Vielleicht könnten Sie ja mal in Ihrem Bloog oder auch in der Tweed einen ausführlichen Bericht über die naeapolitanische Mode und über M & W Mode veröffentlichen.

    Würde mich riesig darüber freuen.

    Mit freundlichen Grüßen

    Michael Nikes

    1. Hallo Herr Nikes,

      Ihre Anregungen nehme ich gern auf. Herrn Müssig kenne ich seit sehr langer Zeit und Michael Jondral noch viel länger. Ich habe schon länger eine erneute Reise nach Neapel geplant geplant, leider musste ich alles verschieben. Herr Müssig liegt da natürlich etwas näher. Wenn man wieder planen kann, spreche ich ihn an.

      Viele Grüße

      Bernhard Roetzel