Anzug nach Maß von Brummer — Teil 1

Der Berliner Herrenausstatter Brummer wurde bereits 1920 gegründet, damals befand sich das Geschäft in der Leipziger Straße. Heute ist das Familienunternehmen in der Tauentzienstraße zu finden, in der 2. Etage der Nr. 17. Wir haben schon einmal über das Geschäft berichtet, das ich schon seit Mitte der 1990 Jahre kenne. Inhaber ist heute wie damals Gerd Seehafer, inzwischen wird er aber von seiner Tochter Bea Seehafer unterstützt.

Ich bin seit  Sommer 2023 häufig bei Brummer zu Gast, um kurze Videos zu Stilfragen zu drehen. Man kann sie jeden Montag bei Instagram, Facebook und Linkedin sehen. In vier Videos haben wir gezeigt, wie es bei Brummer abläuft, wenn man einen Maßkonfektionsanzug bestellt. Diesen Anzug wollen hier vorstellen. Im ersten Teil des Artikels geht es darum, wie man ihn bestellt. In Teil 2 stellen wir das Ergebnis vor.

Wer sich mit dem Gedanken trägt, erstmals einen Maßkonfektionsanzug zu bestellen, sollte für sich zwei Punkte klären. Erstens: Was brauche ich? Zweitens: Ist der Moment günstig? Diese beiden Fragen sind sehr wichtig. Die erste Frage betrifft die Figur. Habe ich gerade mehr oder weniger Gewicht als sonst? Beginne ich mit einem Sportprogramm, mit dem ich Muskeln aufbauen werde? Steht sonst etwas bevor, was meine Figur oder mein Gewicht beeinflussen könnte? Oftmals bestellen Männer erstmals einen Anzug nach Maß wenn sie gerade ihr Idealgewicht erreicht haben, gewissermaßen als Belohnung und Versicherung. Leider ändert sich dieses Gewicht oft allzu schnell wieder und der neue Anzug passt dann nicht mehr und muss geändert werden. 

Bei der zweiten Frage geht es um die Tragegewohnheiten und Lebensumstände. Es hat keinen Sinn, sich z. B. einen sehr förmlichen, dunklen Anzug einem feinen Tuch zuzulegen, wenn man so einen Anzug fast nie trägt. Die Investition in einen Anzug nach Maß lohnt sich nur, wenn man ihn dann auch häufig trägt. Es sei denn, man bestellt den Anzug ganz explizit zu dem Zweck, ihn ab und zu aus dem Schrank zu holen und  sich daran zu erfreuen. Viele Männer, die sich erstmals etwas nach Maß bestellen, haben die Idee im Hinterkopf, dass ein Maßanzug besonders fein und edel sein muss. Das ist falsch und führt oft dazu, dass der Maßanzug fast nur im Schrank hängt. 

Überlegen Sie auch, ob es überhaupt ein Anzug sein muss, eine Kombination ist eine gute Alternative. Und wenn Anzug, aus was für einem Stoff? Beim ersten Anzug sollte der Stoff so gewählt werden, dass man den Anzug möglichst oft tragen kann. Zweitens kann es sinnvoll sein, Stoff und Farbe so zu wählen, dass man Jacke und Hose auch einzeln tragen und mit anderen Teilen kombinieren kann. Als erster Anzug eignet sich deshalb z. B. ein dunkelblauer Anzug, die Jacke kann man separat als Blazer tragen. Wenn man als zweiten Anzug einen grauen Anzug bestellt, kann die blaue Anzugjacke mit der grauen Anzughose kombiniert werden. Wenn dann noch ein braunen Glencheckanzug hinkommt, lässt sich seine Jacke mit der grauen Anzughose kombinieren und eventuell auch mit der Hose des blauen Anzugs.

Seit ich angefangen habe, in förmliche Kleidung zu investieren, also seit Ende der 1980er Jahre, war es mir wichtig, Doppelungen in meiner Garderobe zu vermeiden. Ich habe mir also von Anfang immer nur etwas angeschafft, was ich noch nicht habe. Das vermeidet nicht nur, dass Teile lange Zeit ungenutzt im Schrank hängen, er erleichtert auch die Suche und die Auswahl. Nachdem ich z. B. 1990 einen dunkelgrauen Flanellanzug erstanden hatte, habe ich erst 30 Jahre später wieder Anzug aus so einem Stoff gekauft. Genauso unterscheiden sich meine dunkelblauen Anzüge alle im Schnitt oder bei Webart. 

Als die Idee aufkam, dass ich die Maßkonfektion von Brummer ausprobiere, habe ich den Stoff wieder nach diesen Kriterien ausgewählt. Hinzu kam die saisonale Zuordnung. Da der Anzug Ende Oktober fertig sein sollte, habe ich einen Stoff ausgesucht, den ich sofort einsetzen kann. Da ich zur Zeit keinen Kordanzug besitze, schon länger aber mit dem Gedanken gespielt habe, mir wieder einen zuzulegen, war der Stoff schnell gefunden. Mir wurden vom Leiter der Maßabteilung verschiedene Herbststoffe vorgelegt, an der Seite lag auch ein Stapel mit Proben von Baumwollstoffen. Darin waren auch einige Kordstoffe von Scabal zu finden. Ich entschied mich für ein relativ dunkles Braun von 360 g. Das ist für Baumwolle kein allzu hohes Gewicht, der Anzug ist  mit wärmeren Kniestrümpfen und einem langen Mantel auch an kälteren Tagen hinreichend warm, in Innenräumen aber auch nicht zu warm. Wenn es dann im Frühjahr wieder wärmer wird, lässt er sich auch noch gut tragen.

Nach dem Stoff ging es an die Wahl von Knöpfen und Futter. Ich suche beides gleichzeitig aus, denn ich kann die Knöpfe nicht getrennt vom Futter betrachten. Die Kopfauswahl bei Brummer ist gut, man bekommt Horn, Steinnuss, Perlmutt sowie Metallknöpfe und Knöpfe mit Lederbezug. Lederknöpfe mag ich bei Kord eigentlich gern, allerdings fühle ich mich durch die Farbe des Lederknopfes festgelegt. Zu braunen Lederknöpfen würde ich z. B. keine schwarzen Schuhe anziehen. Nun kann man natürlich sagen, dass schwarze Schuhe zu einem braunen Kordanzug nicht passen. Dem würde ich aber nicht zustimmen. Ein schwarzer Splittoe-Derby mit Zwienaht oder ein Norweger auf Wiener Leisten aus schwarzem Scotchgrain wären für mich gute Kombinationen mit braunem Kord. Das Schwarz der Schuhe kann man in einem Rollkragenpullover, einem schwarzen Cardigan oder im Streifen der Krawatte aufnehmen. 

Ich entschied mich für braune Hornknöpfe. Beim Futter blieb ich ebenfalls konservativ. Brummer hat einige sehr interessante Farben, Muster und Motive in Futterstoffe im Angebot, ich blieb aber bei einem unauffälligen Bemberg-Stoff. Früher hätte ich zu einem braunen Kordanzug vielleicht ein Futter in Orange ausgewählt oder in Flaschengrün, inzwischen sind mir solche Farben aber zu auffällig. Vor allem stören Sie mich bei der Auswahl des Hemds und der Krawatte. Da ich z. B. zu einem Kordanzug Paisley-Krawatten tragen werde, scheidet Paisley als Futterstoff aus. Motive sind mir generell zu wenig zeitlos. Da ich sie sehr impulsiv auswählen würde, ist die Gefahr sehr groß, dass sie mir ein Jahr später nicht mehr gefallen.

Die Maße werden bei Brummer zuerst mit dem Maßband genommen, zusätzlich wurde ein so genanntes Schlupfteil abgesteckt. Schlupfteile sind Anzüge in den üblichen Konfektionsgrößen, meistens aus dunklem und ungemusterten Stoff. Der Kunde zieht einen diesen Anzüge in seiner üblichen Größe an und der Verkäufer oder Schneider liest an der Passform dieses Anzugs ab, wo und in welcher Weise der Schnitt abgeändert werden muss. Natürlich hat jeder Lieferant seine eigenen Schlupfteile, da jeder Hersteller andere Schnittmuster verwendet. 

Das Schlupfmuster ist auch sehr wichtig dafür, die so genannten Wuchsabweichungen, also Unregelmäßigkeiten und „Haltungsfehler“, die es bei jedem gibt, zu finden, zu quantifizieren und durch Änderungen des Schnittmusters zu neutralisieren. Ich sollte nur die Jacke anziehen, weil die Maße ausreichten, um den Schnitt der Hose festzulegen. An der Jacke wurde z. B. am Rücken hinter meiner rechten Schulter Stoff abgesteckt, weil sie etwas niedriger ist als die andere Schulter. Außerdem an der Rückseite der Ärmel. 

Das Maßnehmen und Abstecken des Schlupfmusters ging sehr schnell vonstatten, man merkt dem Schneider an, dass er genau weiß, was er tut. Die abgesteckten Änderungen misst der Schneider bei Brummer am liebsten direkt nach dem Besuch des Kunden ab und vergleicht sie mit den Maßen, die er vorher ermittelt hat. Anschließend gibt er alle Daten am Computer in das Bestellformular ein.

Am Ende wurden noch die Ausstattungsdetails notiert. Dass ich einen Einreiher mit drei Knöpfen möchte sowie Hosen mit Bundfalten hatte ich schon vor dem Vermessen gesagt. Ich fügte noch die Zahl der Knöpfe am Ärmelabschluss hinzu (vier sollen es sein), die Zahl der Schlitze (zwei Seitenschlitze) und die Art der Innentaschen (zwei Innentaschen, links Kamm- und Stifttasche). Bei den Außentaschen entschied ich mich für eine Leistentasche an der Brust und Außentaschen mit Patten (gerade, nicht angeschrägt). Als Lieferzeit wurde 4 bis 5 Wochen vorhergesagt, eine Woche nach der Bestellung wurde mir schon ein fester Liefertermin nach vier Wochen mitgeteilt.