Besser geht nicht. Sartoria Solito in Neapel

Entgegen der Vorstellung vieler Deutscher sind Italiener in sartorialer Hinsicht zumeist sehr konservativ. Während deutsche Herrenausstatter, die sich auf „italienische Mode“ konzentrieren, oftmals sehr moderne, sportliche Designermode zeigen, ist das Bild in Italien sehr klassisch. Dunkelblau und Dunkelgrau stehen bei Anzügen hoch im Kurs, die Karos der Sportsakkos fallen in aller Regel dezent aus. Insgesamt ist ein Hang zur Uniformität zu beobachten. Das bestätigt auch der Blick auf die Teile, die in der Sartoria Solito auf Anprobe oder Abholung warten. Überwiegend dunkelblaue Sakkos, oftmals aus englischem Hopsack oder Fresko geschneidert. Einige wenige karierte Jacken und dunkle Anzüge für das Büro. Wenn es bei Solito aber so etwas wie ein „key piece“ gibt, ein Teil, das für seinen Stil steht, dann ist es „la giacca blu“, der dunkelblaue Blazer. Auch der Herr des Hauses, Gennaro Solito, trägt ihn am Tag unseres Besuchs. Dazu hellgraue Tuchhosen und schwarze Loafer. Und natürlich eine Krawatte – dunkelbau von Marinella. Maurizio Marinella, der legendäre Krawattenmacher, lässt bei Solito nähen. Das ist ein offenes Geheimnis, da der Cravatier den Schneider oftmals mit dem Argument empfiehlt, dass er selbst dort arbeiten lässt.

Gennaro Solito ist Jahrgang 1945. Als er geboren wurde hatte sein Vater Luigi gerade sein erstes Atelier gegründet. Zusammen mit seinem Bruder Antonio begann Gennaro früh mit der Lehre in der Werkstatt seines Vaters. Schon mit 10 Jahren lernte er die ersten Stiche, sehr bald konnte er aber schon viel mehr. 1966 stellt er sich beruflich auf die eigenen Füße und eröffnet in der Via Chiaia seine erste Sartoria. Vier Jahre später zog er die Via Toledo 256 um und das blieb bis heute der letzte Umzug. Heute gibt es in Neapel nur eine Schneiderei, die von der Solito-Familie betrieben wird. Gennaros Sohn Luigi jnr. trat in den 1990ern als Lehrling in das väterliche Geschäft ein, heute teilen sich die beiden die Arbeit. Der Sohn konnte inzwischen aus dem Schatten des legendären Vaters heraustreten, dennoch ist Gennaro nach wie vor das Gesicht der Schneiderei. Neue Kunden, die durch Bücher, Blogbeiträge oder Zeitschriftenartikel auf Solito aufmerksam geworden sind, möchten oftmals vom Hausherrn bedient werden. Wenn sie allerdings erst mitbekommen haben, dass Vater und Sohn den gleichen Look liefern, dann bleiben auch sie gern bei Luigi jnr.



„Wir machen eine sehr weiche Jacke“, erklärt er uns. „Mit hohem Armloch und etwas mehr Vorderlänge.“ Vater und Sohn lieben es nämlich nicht, wenn der Blazer vorn zu kurz aussieht, wenn der Kunde sich aufrichtet. Die Schultern sind natürlich verarbeitet mit nur ein wenig Leinen, dicke Polster sind, wie überall in Neapel, verpönt. Bei den Hosen favorisieren die Solitos eine schmale Silhouette und ein etwas kürzeres Bein. Das streckt und verleiht dem Träger eine sportlich-jugendliche Erscheinung. Großen Wert wird auf traditionelle Handarbeit gelegt, da hat sich gegenüber der Lehrheit von Gennaro praktisch nichts geändert. Die Kundschaft ist international, Luigi Solito ist regelmäßig im Ausland unterwegs. Im März war er in New York City und London, im Juni geht es nach Tokio. Dennoch ist Solito eine sehr neapolitanische Schneiderei geblieben, der örtliche Kundenstamm ist nach wie vor groß. Wie ein genauer Blick auf so manches Sakko gut gekleideter Herren, denen man in der Stadt begegnet, beweist. 

Fotografie: Luke Carby.

www.sartoriasolito.it