Ledermanufaktur Siegmund & Fritz. Norddeutsche Wertarbeit


Ein Mann, sein Werkzeug und gutes Leder. Viel mehr steckt nicht hinter dieser Manufaktur. Mehr als das, außer viel Zeit, braucht es auch nicht, denn bei Siegmund & Fritz werden alle Taschen einzeln und nach Wunsch gefertigt. 

Ich traf Maurice Bock zum Gespräch in einem Café. Als er kurz aufstand, um etwas aus seinem Auto zu holen, sprach mich eine Frau am Nachbartisch an. „Bitte entschuldigen Sie, ich habe ihr Gespräch unbeabsichtigt mitgehört. Fertigt Ihr Bekannter auch Handtaschen? Er sprach mit so viel Leidenschaft von seiner Arbeit, ich würde gern von ihm was machen lassen.“ Kurz darauf war Maurice Bock zurück, gab der Interessentin seine Karte und zeigte ihre Bilder auf seinem Instagram-Account. 

Ich weiß nicht, ob es zu einer Bestellung kommen wird. Es stimmt aber, Maurice Bock brennt für sein Metier. Das habe ich gleich beim ersten Telefonat gemerkt. Ich hatte seine Taschen bei Instagram entdeckt und ihn angeschrieben. Statt einer Nachricht kam ein Anruf. Wir sprachen über seine Arbeit, über seine Werkstatt in Norddeutschland und natürlich seine Taschen. Als nächster Schritt war ein Werkstattbesuch geplant, wegen der Pandemie ging das lange nicht. Und dann ist Maurice Bock mit der Werkstatt umgezogen. Ein Zoom-Gespräch wäre die zeitgemäße Option, doch Maurice Bock lehnte das ab: „Ich möchte, dass Sie meine Taschen in die Hand nehmen können. Sie müssen die Verarbeitung sehen und das Leder riechen.“ Und so saßen wir ein paar Wochen später bei schönstem Sonnenschein in Mecklenburg-Vorpommern zusammen und beschnupperten Ledertaschen.

Maurice Bock sieht so aus, wie ich mir seine Kunden vorstellen würde. Kordweste, Boots und Jeans. Kurze Haare und Bart. Ein sportlicher Chronograph mit einem Armband aus dickem Leder. Man sieht den Sachen an, dass ihr Träger Wert auf Qualität und Langlebigkeit legt. Genau wie bei seinen Taschen. Maurice Bock fertigt sie alle einzeln und nur auf Bestellung an, denn bei ihm geht es allein um die Qualität, nicht um maximalen Output. Man könnte auch sagen, es sind Bespoke-Taschen, denn der Kunde bekommt genau das Teil, was er sich wünscht. Wie „bespoke“ die Tasche ist, hängt nur vom Kunden ab, erklärt Maurice Bock: „Manche sehen eine Tasche bei Instagram, schicken eine Direktnachricht und wollen einfach nur wissen, wo sie das Geld hinsenden sollen. Keine Extrawünsche. Andere kommen mit Fotos und ganz genauen Vorstellungen“. 

Maurice Bock ist Autodidakt, die Lederverarbeitung hat er sich selbst beigebracht. Handwerklich ist er aber nicht unbeleckt, er hat Industriemechaniker gelernt, kann also konstruktiv denken und mit Werkzeug umgehen. Außerdem ist er studierter Grafik-Designer, hat also auch das ästhetische Rüstzeug für Gestaltung. Und kann auch gleich selbst für den richtigen werblichen Auftritt seiner Taschen sorgen. Vom Schriftzug bis zur Webseite ist alles aus seiner Hand. Die Faszination für das Leder kam über das Metall, genauer gesagt den Stahl: „Ich wunderte mich immer wieder, dass hochwertige Messer oft in ganz schlechten Scheiden geliefert werden. Also habe ich selbst eine gemacht“. Die war noch weit entfernt von dem, was er jetzt macht. Aber ein Anfang war gemacht. Von da an hat er sich weiter vorgetastet, hunderte von Videos auf YouTube studiert, ausprobiert, rumgehorcht, zugeguckt. Irgendwann wollte jemand die Tasche haben, die er für sich selbst gemacht hatte und damit kam der Gedanke: Das will ich richtig aufziehen. 



Der Firmenname setzt sich aus den Vornamen seiner Großväter zusammen, die Fotos für seine Webseite macht sein Bruder. Und er selbst hat auch Kinder. All das integriert Maurice Bock in seine Arbeit. Die Werkstatt liegt hinter dem Haus, in dem er mit seiner Familie lebt. Die beliebten Adjektive „nachhaltig“ und „regional“ passen. Wie der Untertitel seines Markennamens, „Norddeutsche Ledermanufaktur“. Das pflanzlich gegerbte Leder für seine Taschen bezieht er aus einem Traditionsbetrieb in Schleswig-Holstein. Und nördlich von Hamburg entsteht alles von Hand in Einzelanfertigung. So arbeiten auch Maßschuhmacher – das Ergebnis ist 100 Prozent Kontrolle über die Qualität. In den USA nennt sich diese Arbeitsweise „benchmade“, ob nun bei Schuhmachern, Messerschmieden oder Gitarrenbauern. Ein Handwerker, ein Produkt. 

„Bevor ich das Leder zuschneide, gucke ich es mir ganz lange an“, erzählt Maurice Bock. „Ich mag Unregelmäßigkeiten in den Häuten, die sollen aber richtig zur Geltung kommen. Wenn ich dann das Messer ansetze, bin ich total gespannt. Einen zweiten Versuch gibt es nicht.“ Überhaupt das Leder – es steht für Maurice Bock im Mittelpunkt. „Ich würde nie Leder verwenden, dass eine total glatte Oberfläche hat, das sieht doch fast aus wie Plastik“. Deshalb fährt er auch so gern in die Gerberei. „Manchmal entdecke ich eine Haut in einer Farbe, an die ich gar nicht gedacht hätte. Oder die ich gar nicht sehen sollte. Einmal habe ich eine gefunden, die zu lange in der Grube war, die Oberfläche war für den normalen Handel zu wenig normgerecht und vor allem zu stark strukturiert. Gerade das fand ich toll, diese Haut ist jetzt ein Reisetasche.“

Mehrere Taschen stehen vor uns auf dem Tisch, als der Kellner unsere Getränke bringt, müssen wir erstmal Platz machen. Die Modelle heißen „Briefcase“, „Saddlebag“, „Crossbodybag“ und „Weekender“. Die unterschiedlichen Größen bei „Briefcase“ und „Saddlebag“ werden mit Mk 1, Mk 2 oder MK 3 bezeichnet wie britische Panzer oder Roadster (beim „Briefcase“ gibt es drei Größen, beim „Saddlebag“ zwei). Alle Modelle bestehen komplett aus Leder, kein Rahmen aus Holz oder Metall, keine Pappe. „Die Taschen sind gewissermaßen selbsttragend, die Stabilität kommt nur aus dem Leder und den Nähten“, erläutert Maurice Bock. Die Nähte sehen sehr gleichmäßig aus, dabei hat Maurice Bock gerade erklärt, dass Maschinennähte regelmäßiger seien als Handstiche. „Man muss sehr genau hinsehen, um eine Unregelmäßigkeit zu erkennen“. Als Verschluss dienen Persenningknöpfe, die sonst z. B. verwendet werden, um Hüllen von Cabriodächern zu befestigen. Die Knöpfe gibt es in Gold, Altmessing, Altkupfer, Mattschwarz, Chrom und Nickel. Wenn man die Tasche öffnet, kommt ein Markenzeichen von Siegmund & Fritz zum Vorschein: Das Futter aus Harris Tweed. „Ich war immer schon ein Schottlandfan und ich liebe Tweed, die Auswahl ist grenzenlos“. 

Aus der Idee mit dem Tweedfutter hat Maurice Bock die Driver’s Edition entwickelt. „Classic Cars haben meistens Ledersitze, Porsche hat aber z. B. auch sehr markante Stoffsitzbezüge. Die kann ich als Futterstoff verwenden. Dann kann der Kunde das Leder passend zur Farbe seines Autos wählen und dann noch den Originalstoff der Sitze.“ Wenn die Pandemie vorbei ist, will Maurice Bock seine Taschen gern bei Events vorstellen. „Die Leute haben lange genug am Bildschirm gesessen, die wollen jetzt wieder was Greifbares.“ Wobei das Smartphone im Moment noch der erste Schritt zur Tasche ist, gerade ist wieder eine Nachricht gekommen. Maurice Bock wirft eine Blick darauf und zeigt mir dann das Bild eines englischen Geländewagens. „Das ist ein Kunde, der schon mehrere Taschen hat. Jetzt will er den Weekender passend zur Farbe seines Autos.“ Für Maurice Bock kein Problem: „Das ist halt bespoke“.

https://siegmundundfritz.de