Was steht stilistisch an im nächsten Jahr? — Unsere Vorschau auf 2021

Niemand kann in die Zukunft blicken. Dennoch sind ein paar Entwicklungen absehbar. Unser ganz subjektiver Ausblick auf das kommende Jahr. Dazu 5 Prognosen:

1. Förmlich kommt zurück

Während des ersten Lockdowns im Frühjahr haben viele die neue Freiheit des „home office“ genutzt, indem sie alle Dresscodes fahren ließen. Zu Beginn des zweiten Lockdown stellte sich bei vielen der Überdruss ein – nochmal in Sportkleidung herumsitzen? Vielen Dank! Dann doch lieber auch zu Hause ein Minimum an Stil zeigen und wenigstens im klassischen Casual- oder Wochenendlook daheim am Schreibtisch sitzen. Und wieso nicht gleich im seidenen Morgenrock oder mit Sakko und Krawatte? Die Sehnsucht nach der Welt ohne Pandemie ist die Sehnsucht nach der Kleidung, die wir vor Corona getragen haben. Folglich wird 2021 angezogener.

2. Britisch kommt zurück

Ich beobachte seit längerem eine Rückbesinnung auf die Wurzeln des klassischen Stils und die liegen in Großbritannien. Die englischen Schneider, Schuhmacher und Konfektionsfirmen spüren davon wahrscheinlich noch nichts, ich glaube aber, dass es ein Revival des Gentleman-Looks gibt. Was sicherlich auch mit Fernsehserien im englischen Ambiente zu tun hat. Ich glaube, dass die Fans des klassischen Looks, die bisher nur die italienische Interpretation des englischen Stils kennen, zu den Quellen vordringen werden. Und wenn man an die aus verschiedenen Gründen nicht herankommt, werden die Einzelhändler und Labels des Kontinents profitieren, die den Ur-Gentleman-Look gekonnt emulieren.

3. Bespoke wird weiter wachsen

Natürlich wird handwerklich gefertigte Maßkleidung immer ein Nischenprodukt sein. Das liegt am Preis und daran, dass die Mehrheit kein Interesse an zeitloser Kleidung hat. Die Nische wird aber größer werden. Während des Corona-Jahres haben die Bespoke-Kunden einen neuen Vorteil des Handwerks entdeckt: Es war nicht vom Lockdown betroffen. Und manch einer, der seine Kleidung nur noch online kaufen konnte oder Bestellungen von Maßkonfektion auf die lange Bank schieben musste, hat Bekannte oder Freunde ein wenig beneidet, die lustig weiter bestellen oder anprobieren konnten. 

4. Online wird hinzugewinnen 

Das Online-Geschäft hat 2020 profitiert. Auch Fans des klassischen Looks, die bis zum ersten Lockdown ausschließlich bei Ihren Ausstattern, Schuhläden, Parfümerien und sonstigen Spezialgeschäften eingekauft haben, sind aus der Not heraus auf den Geschmack des Online-Shoppings gekommen. Zumal das Angebot im Internet sehr vielseitig ist. Sehr viele Freunde der zeitlosen Kleidung kaufen ohnehin seit Jahren online ein. Viele Schränke wären bedeutend leerer, wenn es Ebay nicht gäbe. Vintage-Kleidung gibt es dort in einer riesigen Auswahl und es gilt schon lange nicht mehr als unfein, dort nach Klassikern und Raritäten zu stöbern. 

5. Trageerlebnis statt Einkaufserlebnis

Einzelhändler locken oftmals mit dem Einkaufserlebnis, das nur sie bieten. Natürlich macht es Spaß, sich in einem gut sortierten Geschäft umzusehen, in Ruhe Teile anzuprobieren und mit dem Inhaber oder kompetenten Mitarbeitern fachzusimpeln. Und auch das Gratis-Glas Champagner, Whisky oder Gin lockt viele, vom inzwischen überall standardmäßig angebotenen Espresso ganz zu schweigen. Man kann sich aber auch zu Hause ein gutes Glas Wein eingießen oder seinen Lieblingskaffee aufbrühen, um den Genuss des virtuellen Bummels zu steigern. Wenn man Teile direkt ins Haus geschickt bekommt, kann man sie viel besser im Zusammenhang mit der vorhandenen Garderobe an- und ausprobieren und ohne Scherereien zurückschicken, wenn sie einem doch nicht zu 100 Prozent gefallen. Und auch das muss mal gesagt werden: Der Einkauf ist nicht in jedem Geschäft ein schönes Erlebnis. Viele Verkäufer haben wenig Ahnung, sind aufdringlich oder zu spürbar auf den Abschluss aus. Am Ende sollte das Einkaufserlebnis nicht wichtiger sein als das, was eingekauft wird. Natürlich kann es ein unvergesslicher Moment sein, eine Krawatte bei Marinella in Neapel zu erstehen oder ein Tweedsakko bei Cordings of Piccadilly in London. Am Ende zählen aber die vielen Jahre, während derer man sich an der Krawatte oder dem Tweedsakko erfreut, viel mehr.