James Whitfield Bespoke — Londoner Eleganz in Berlin: Anprobe, Stoff und das fertige Sakko

Besser als Savile Row

Nach zwei Anproben und einem letztem Passformcheck ist das Maßsakko fertig. Tommi Aittalas Bilder sprechen für sich, das Sakko sieht aber nicht nur gut aus, es trägt sich auch gut. Hier der abschließende Bericht und ein kurzes Interview mit James Whitfield.

Ist es in Ordnung, James Whitfield, den in Berlin arbeitenden Herrenschneider aus London, als „Savile Row tailor“ zu bezeichnen? Ich denke, dass man ihn durchaus so einordnen kann. Zum einen, weil er in der Savile Row ausgebildet worden ist und Berufserfahrung an einer der ersten Adressen dieser Straße gesammelt hat. Zweitens: Die Anzüge der meisten Savile-Row Schneider werden in aller Regel von Großstückschneidern („coat maker“, „trouser maker“, „vest maker“) in anderen Teilen Londons gefertigt. Nur wenige Schneidereien fertigen komplett im Haus. Wenn aber zu viel zu tun ist, geben auch sie Arbeit an externe Schneider. Nun kann man einwenden, dass diese Anzüge immerhin in der Savile zugeschnitten und probiert worden sind. Das ist korrekt. Dennoch würde ich behaupten, dass ein in der Savile Row ausgebildeter „cutter“ überall auf der Welt einen Savile-Row-Anzug zuschneiden und fertigstellen kann. Ist das, was James Whitfield in Berlin abliefert, aber besser als die Maßanfertigungen aus London? Was das Aussehen des Anzugs betrifft, ist dies natürlich eine Frage des Geschmacks. Ich finde ja. Wenn man die Qualität von Passform und Verarbeitung, die James zu seinem Preis anbietet, in Relation zu dem setzt, was man bei den Schneidereien in der Savile Row zu den dort üblichen Preisen bekommt, ist ein Teil von James Whitfield auf jeden Fall der bessere Deal.

Gegenüber der Fertigprobe hat sich bei dem fertiggestellten Sakko spürbar oder optisch nichts mehr geändert. An der Brust liegt der Stoff glatt an, John hat nur wenig Wölbung eingebaut, die er als „drape“ bezeichnet. An den Schultern und über dem Rücken liegt der Stoff glatt an. Die hervorstehenden Schulterknochen werden gut durch ein flaches Polster kaschiert. Insgesamt ist die Jacke etwas länger als meine Maßsakkos aus Prag, nicht aber so lang wie die von Tobias Tailors genähten Sakkos. Die Ärmel haben die optimale Länge. Das Armloch ist etwas kleiner und sitzt höher, als ich es für gewöhnlich bestelle, es engt aber nicht ein. Das Sakko wirkt insgesamt schlank und die hohe Taille streckt ein wenig die Figur. Der Look ist sehr britisch, wirkt aber dennoch nicht antiquiert – im Gegensatz zu vielem, was auch von jüngeren Schneidern in London genäht wird. Die Schneiderarbeit wurde sehr gut ausgeführt, das Reversknopfloch nach Mailänder Manier könnte auch ein guter „sarto“ aus Italien nicht besser liefern. Und um auch noch mal das zu sagen: Das Sakko wurde komplett in der Werkstatt von James genäht. 

Zur Ergänzung meines Eindrucks habe ich ein kleines Interview mit James Whitfield geführt und einige Fragen gestellt, die vielleicht auch die Leser bewegen.

Feine Herr: Die Jacke, die Sie für mich gemacht haben, sieht sehr englisch aus. Ein italienischer Schneider könnte sie nie so zuschneiden. Was ist das Rezept für eine englisch aussehende Jacke nach Maß?

James Whitfield: Ich denke, es sind der Schnitt und die Konstruktion, die der Jacke diesen besonderen englischen Look verleihen. Etwas mehr Länge, die volle Brust, die etwas strukturiertere Schulter – all das trägt zu diesem Stil bei.

Wie viel Savile Row steckt in der Jacke und wie viel James Whitfield?

Es ist eine Mischung. Bei Schnitt und Verarbeitung bleibe ich bei den traditionellen Methoden, die ich dort gelernt habe, ich bringe aber auch ein paar eigene Dinge eine. Wenn ich für einen bestimmten Teil des Arbeitsablaufs eine bessere Methode finde, dann würde ich die nicht unbedingt zugunsten der Tradition ablehnen.

Ist ihre Arbeit dadurch beeinflusst worden, dass Sie in Berlin sind nicht und nicht in London?

Auf eine Weise ist es befreiend hier zu sein und nicht in einer bestimmten Weise arbeiten zu müssen. Insofern hat Berlin meine Arbeitsweise verändert. Ich mache hier auch fast alles selbst zusammen mit Marie, ich schneide zu, nähe die Jacken und die Hosen und so weiter. Das wäre in der Savile Row ungewöhnlich, dort warden die Arbeitsschritte sehr stark aufgeteilt. Für meinen Kunden ist es ein Vorteil, dass sie wissen, dass ich mich um das Ganze bei jedem Schritt selbst kümmere.

Einige große Schneidereien in London oder Italien tendieren dazu, ihren Stil bei jedem Kunden anzuwenden. In welchem Umfang sind Sie bereits, auf Ideen von Kunden einzugehen?

Ich dazu durchaus bereit – im vernünftigen Rahmen. Ich glaube, dass es bei allen Schneidern so ist. Ich kann das am besten, was ich kenne, also den klassischen Londoner Schnitt. Ich habe ein oder zweimal versucht, eine Art von neapolitanischen Sakko zu machen, weil ein Kunde sich das gewünscht hatte. Das kommt mir aber immer ein bisschen wie ein Betrug vor. Man muss sich selbst treu bleiben, ohne allzu dogmatisch zu sein.

Planen Sie Trunkshows in anderen Städten Deutschlands oder im Ausland?

Ich hoffe, dass ich nächstes Jahr eine richtiges Reiseprogramm beginnen kann. Ich werde mich zuerst auf ein paar deutsche Städte konzentrieren und vielleicht auch die Schweiz besuchen.