Ich habe vor 37 Jahren angefangen, rahmengenähte Schuhe zu tragen. Und bis vor etwa drei Jahren war für mich die rahmengenähte Machart, mit der Maschine oder von Hand ausgeführt, das Nonplusultra.
Die einzige Ausnahme, die ich gemacht habe, waren zwiegenähte Schuhe, Schuhe nach Veldtschoen-Machart, durchgenähte Bootsschuhe und geklebte Frackpumps.
Aus verschiedenen Gründen habe ich im Jahr 2022 begonnen, Schuhe anderer Macharten zu tragen. Zunächst durchgenähte Mokassins, dann auch flexibel genähte Schuhe.
Durchgenäht bedeutet bei Mokassins, dass die Lederlaufsohle (oder eine Lederzwischensohle) durch eine Naht mit dem von unten um den Leisten gelegten Schaft verbunden ist.
Amerikanische Pennyloafer, z. B. die Weejuns von Bass, werden so gemacht. Oder der klassische Gucci-Loafer mit Trensengebiss am Steg. Außerdem leichte Mokassins italienischer Provenienz, wie sie immer noch in Italien zu haben sind.
Flexibel genäht bedeutet, dass der Schaft nicht unter den Leisten gezwickt und dann durch Klebstoff oder eine Naht damit verbunden wird. Der Schaft knickt vielmehr nach außen ab und wird dann mit einer sichtbaren Naht mit einer Zwischensohle oder der Lederlaufsohle vernäht.


Das bekannteste Beispiel eines flexibel genähten Schuhs ist der Desertboot von Clarks. Als Klassiker, der 1950 lanciert wurde und als Schuh für einen britisch inspirierten Casual-Look erfolgreich war, hat er mich grundsätzlich gereizt.
Ich habe den Desertboot von Clarks deshalb mehrmals gekauft, war aber jedes Mal enttäuscht. Das lag weniger an der Passform und der Silhouette des Schuhs, die aufgrund der Machart ganz anders ist als die eines rahmengenähten Chukkaboots. Vielmehr störte mich die Brandsohle bei dem Original von Clarks.
In den 1990ern habe ich ein Paar gekauft, bei dem die Brandsohle aus einer Art Pappe bestand. Also kein Leder, nicht einmal das aus Lederspänen zusammengepresste Lefa. Einfach nur Pappe. So sah die Sohle jedenfalls aus.
Um 2022 und 2025 habe ich den Desertboot erneut probiert, dieses Mal erinnerte das Brandsohlenmaterial an eine Teppichfliese aus rauem Synthetikfilz. Gefertigt waren diese Schuhe in China aus Leder von der Gerberei Charles F. Stead in Leeds, einem alteingesessenen Spezialisten für Rauleder (www.cfstead.com).
Die Passform hätte mir sonst gefallen. Der Leisten war ein wenig breiter, vermutlich eine G-Weite. Die Fersenkappe war relativ steif und drückte zuerst. Das Schaftleder, ungefüttert verarbeitet, war relativ steif, hätte sich aber vielleicht eintragen lassen.
Den zuletzt gekauften Desertboot von Clarks habe ich ein paar Wochen getragen, allerdings ging das nur mit einer Ledereinlegesohle. Parallel recherchierte ich aber weiter und stieß dabei auf den Desertboot von Drake’s.


Ich fand heraus, dass er in Italien von Astorflex gemacht wird, und nahm Kontakt mit diesem Hersteller auf. Sein deutscher Agent, Mark Grütters aus Düsseldorf, erzählte so begeistert von Astorflex, dass ich mir das Modell Montflex bestellt habe, das Pendant zum Desertboot von Clarks.
Astorflex ist ein italienischer Schuhhersteller, der 1820 in Castel d’Ario, Mantova, gegründet wurde. Die Fabrik befindet sich immer noch am selben Ort, sie gehört nach wie vor der Gründerfamilie Travenzoli.
Nach den Anfängen mit handgefertigten Schuhen begannen die „Fratelli Travenzoli“ nach dem Ersten Weltkrieg mit der Fertigung von flexibel genähten Schuhen. Das ist die Machart, die bis heute der Schwerpunkt des Betriebs ist.
Der gegenwärtige Inhaber und CEO Fabio Travenzoli arbeitet seit 1984 in dem Familienbetrieb. Er ist die sechste Generation der Familie. Sein Sohn Giulio ist auch schon im Unternehmen tätig.

Als ich den Schuh auspackte und den Karton öffnete, fiel mir zunächst die liebevolle Verpackung auf. Es lag eine Postkarte bei mit Hinweisen zur Machart, den Materialien und der Firma. Und dann ein angenehmer Duft nach Leder. Es roch gut und fühlte sich sehr weich an.
Auch die Kappen vorn und an der Ferse sind viel weicher als beim Desertboot von Clarks. Der Leisten ist ein kleines bisschen schmaler, dadurch wirkt er vorn weniger rund.
Die Schuhe sind ungefüttert, die Brandsohle wird aber durch eine Decksohle aus hellem, sehr weichem Futterleder abgedeckt. Darunter befindet sich eine Schicht aus Memoryfoam, was man auf der beiliegenden Karte erfährt.
Nach Angaben des Herstellers ist das Leder von Schaft und Decksohle pflanzlich gegerbt. Es werden nur wasserlösliche Klebstoffe verwendet.
Der Schaft ist etwas niedriger als bei Clarks, dadurch lässt sich der Montflex besser mit verschieden langen Hosen kombinieren. Ich trage ihn sogar mit etwas weiteren Anzughosen, die auf dem Schuh aufsitzen. Dann sieht der Montflex wie ein Halbschuh aus (was allerdings nichts mit der Schafthöhe zu tun hat).


Der Schuh kommt mit zwei Paar Schnürbändern, flachen und runden. Ich habe mich für die runden entschieden, weil sie den Schuh etwas feiner wirken lassen. Bei den flachen hält die Schleife allerdings ein wenig besser.
Das Sohlenmaterial bezeichnet Astorflex als Para, dabei handelt es sich um echten Naturkautschuk. Er ist sehr weich und passt sich an die Umgebungstemperatur an (so der Hinweis auf der beiliegenden Karte).
Die Sohlen des Desertboot von Clarks sind laut Angabe bei Internetshops auch aus Naturkautschuk. Sie sind allerdings härter im Auftritt und zeigen auch nicht die typischen Eigenschaften dieses Materials: Der Kontakt mit Motoröl, Benzin und Lösungsmitteln ist zu vermeiden. Auch zu große Hitze ist nicht gut, sie macht die Sohlen weich und schlimmstenfalls klebrig.
Sohlen aus Para sind sehr weich im Auftritt und auch relativ rutschfest (außer auf Schnee oder nassem Steinpflaster). Wenn man viel in der Stadt unterwegs ist, verfärbt sich das Material durch Öl- und Benzinrückstände auf der Straße stellenweise schwarz.
Beim Anziehen und den ersten Schritten im Zimmer spürte ich das ganz andere Tragegefühl des Montflex. Es lässt sich am besten mit dem Adjektiv „weich“ beschreiben. Weich ist der Auftritt, weich schmiegt sich der Schaft an die Zehen, weich sind die Kappen und weich der Rand des Schafts.
Da der Leisten etwas schmaler ist, eher eine F-Weite, merkte ich am rechten Fuß, der eine halbe Breitengröße mehr braucht, einen ganz leichten Druck am kleinen Zeh. Nach ein paar Tagen des Tragens war das nicht mehr zu spüren.
Ich habe den Montflex nach Lieferung und bis zu dem Fototermin bei 14oz in Berlin etwa drei Wochen lang fast jeden Tag getragen. Nach etwa einer Woche hat sich im Memoryfoam ein ausgeprägtes Fußbett gebildet. Es erinnert an den Abdruck, der sich in der Brandsohle eines Goodyear-Schuhs bildet.



Ich hatte den Montflex mehrmals bei zwei- oder dreitägigen Reisen dabei und jeden Tag getragen. Die Schuhe haben dadurch nicht an Bequemlichkeit eingebüßt.
Nach dem ersten Spaziergang bei Regenwetter hinterließen die Tropfen dunkle Punkte auf dem Leder. Nach dem Trocknen ließen sie sich restlos mit der Raulederbürste entfernen.
Wenn die Temperatur über 20 Grad Celsius ansteigt, wird der Montflex schon ein wenig warm an den Füßen. Das liegt aber an dem höheren Schaft. Am Fuß ist der Schuh nicht wärmer als ein anderer Lederschuh mit Kunststoffsohle.






Der Desertboot von Clarks kostet im Webshop von Clarks 150 Euro. Der Montflex von Astorflex wird für 235 Euro angeboten.
Der Montflex ist teurer, wird dafür aber in Italien gefertigt und bietet die beschriebenen Vorteile.
Auf der Webseite von Astorflex gibt es viele Pflegetipps für die Schuhe, man kann sie zwecks Reparatur auch ins Werk senden.
Wer die Schuhe von Astorflex in Augenschein nehmen und anprobieren möchte, findet z. B. einige Modelle in den Läden von Manufactum oder 14oz in Berlin (www.14oz.com). In Wien und Salzburg ist Astorflex bei Dantendorfer im Angebot. In Wien außerdem bei Nouw und ab Juli auch bei Aetman (beide in der Neubaugasse). Bei 14oz in Berlin haben wir uns verschiedene Modelle angesehen. Die Auswahl dort ist umfangreich, das vorgestellte Modell Montflex war allerdings nicht im Angebot. Zurzeit ist der Desertboot Montflex online z. B. bei Care of Carl (www.careofcarl.de) oder bei Mey & Edlich (www.mey-edlich.de) zu bekommen.
Der Desertboot von Clarks ist in vielen Schuhläden, in Clarks-Shops sowie online z. B. im Webshop von Clarks, bei Zalando oder Amazon erhältlich.


