Was wäre der Herbst ohne Tweed? Oder ohne Kord? Diese Frage stellen sich viele Freunde des klassischen Looks, wenn sie nach dem Sommer die Garderobe umräumen. Leinen und leichte Stoffe werden gereinigt und eingemottet, dafür kommen Tweed und Whipcord, Cheviot und Shetland, Covert und Twill wieder ganz nach vorn im Schrank. Dazu Strick, Tattersall-Check-Hemden und stabiles Schuhwerk.
Zeitlos und haltbar sind die Klassiker der Country-Garderobe. Und vielseitig kombinierbar. Alt und neu lässt sich in aller Regel mühelos miteinander kombinieren. Basisteile wie Hosen und Pullover sehen durch andere Jacken immer wieder anders aus. Und die riesige Auswahl an Streichgarnstoffen sorgt dafür, dass man immer wieder neue Kombinationen finden kann. Auch beim Schnitt und den Ausstattungsdetails gibt es zahlreiche Varianten. Klassik wird so schnell nicht langweilig.
Als ich vor über 30 Jahren begonnen habe, den Gentleman-Look für mich zu entdecken, war England immer noch ein Hort dieses Stils. Eine Reise nach London war stets ergiebig, man fand dort zahlreiche Country-Ausstatter. Obendrein viele Vintage-Mode-Spezialisten mit einem reichen Angebot ausgesuchter Raritäten. Heute stellt sich die Situation in dieser Nische ganz anders dar. Exkursionen nach London sind zwar nach wie vor spannend, jedoch lange nicht mehr so ergiebig. Umso mehr haben wir uns gefreut, als wir auf The GunDog Affair gestoßen sind.
Der Versender beschreibt seine Kollektion als „Hunting and Classic Field Clothing“ für den „stilbewussten Natur- und Hundeliebhaber.“ Der kann aber auch in der Stadt leben. Deshalb sagt The Gun Dog Affair in seinem Mission Statement, dass die Kollektion auch für den urbanen Raum gedacht ist. Damit steht sie ganz in der britischen Tradition, die für das Wochenende in der Stadt den Countryhouse-Look empfiehlt. Wer von Montag bis Freitag in der City oder in Mayfair Anzug trägt, entspannt sich am Wochenende in Chelsea in Kord, Tweed und Strick.
Wichtig ist den Machern von The Gun Dog Affair aber vor allem, dass sie kein „Etikett“ sein wollen. Sie freuen sich, wenn Männer die Sachen tragen. Die Motivation dazu soll aber nicht das Label sein, sondern das, wofür es steht: Für einen Stil, „der sich aus der Tradition formt und all jene verbindet, die großen Wert auf hochwertige und zeitlose Bekleidung legen.“ Im Zentrum steht dabei die Qualität. Das merkt man den Sachen an, die durchweg einen sehr hochwertigen Eindruck machen. Wir hatten tatsächlich den Eindruck, dass wir es mit haltbaren und gut verarbeiteten Teilen zu tun haben.
Outfit 1: Smarter Weekend-Look
Für den Fototermin im herbstlichen Berlin haben wir zwei Outfits zusammengestellt. Eine Kordhose, dazu ein Paar Stiefeletten aus Rauleder und ein Tattersall-Check-Hemd bildeten die Basis. Die Kordhose ist vom Schnitt ein guter Kompromiss zwischen klassisch und modern. Also eher auf der schmalen Seite, keineswegs aber Slimfit. Sie dürfte also sowohl junge als auch ältere Männer ansprechen. Der Stoff stammt von der britischen Weberei Brisbane Moss, die bekannt ist für ihre typisch englischen Kordstoffe. Der Stoff fühlt sich sehr samtig an und ist vom Gewicht her eher mittelschwer. Dadurch eignet er sich auch für das Frühjahr und ist angenehm zu tragen. Statt mit Gürtelschlaufen sind die Hosen mit Seitenschnallen ausgestattet.
Das Hemd hat einen gut geschnittenen Kentkragen, der eine gute Höhe aufweist und sowohl mit Krawatte als auch offen getragen gleichermaßen gut aussieht. Der Stoff stammt von Thomas Mason, das Karo ist absolut zeitlos und vielfältig kombinierbar. Es ist selten, dass ich Hemden von der Stange finde, die ich tragen würde. Bei diesem Hemd ist das der Fall. Der Kragen gefällt mir sehr gut, obwohl er kein Cutaway ist. Die Stiefeletten werden in Portugal nach der Goodyear-Methode gefertigt. Das dunkelbraune Rauleder ist sehr vielseitig und passt gleichermaßen gut in die Stadt und aufs Land.
Die Hosen, das Hemd und die Stiefeletten haben wir mit zwei Jacken, zwei Pullovern, zwei Krawatten und einem Schal kombiniert. Das Ergebnis sind Kombinationen, die ich genau so auch privat trage, was den Fotos auch anzusehen sein sollte. Kombination Nr. 1 besteht aus einem Tweedsakko mit vier aufgesetzten Taschen. Mir gefiel der Schnitt sofort, er erinnerte mich an die Sakkos, die John Steed in der ersten Staffel von „The Avengers“ getragen hat. Der Stoff mit schottischer Anmutung stammt aus Italien. Er fasst sich weicher und feiner an, als die Optik vermuten lässt. Die Passform in Gr. 50 erwies sich als sehr gut, vor allem mit dem Pullover darunter.
Dieser stammt von Noble Wilde und besteht aus einer Mischung aus Merinowolle und Possumhaar. Das Haar des „Brushtail Possum“ ist innen hohl, was es gleichzeitig leicht und besonders warm macht. Nur das Haar von Eisbären ist ebenfalls hohl, somit ist man als Träger dieses Pullis bestens gegen die Kälte gewappnet – ähnlich wie Possum und Bär. Der Praxistest hat das bestätigt: Bei dem Fototermin war es ziemlich kalt, mit dem Pullover und dem Sakko fühlte ich mich sehr wohl.
Ich habe aber dennoch gern zu dem Schal gegriffen, sehr breit und lang mit der klassischen Kombination aus Seide und Kaschmir. Die Innenseite ist also warm und angenehm auf der Haut, die Seide schmückt nach außen. Der Schal stammt von der deutschen Marke Trico. Die Seide wird in Italien gewebt, der Kaschmirstrick in Deutschland hergestellt, Endfertigung in Augsburg.
Der Pullover ist, analog zu den Hosen, nicht zu eng und keinesfalls zu weit. Sehr gut also, um ihn allein oder auch unter einem Sakko zu tragen. Die Fasanen-Krawatte hat jagdlichen Charakter. Da sie aus Seide gefertigt ist, wirkt sie jedoch auch in der Stadt passend. Das Motiv ist sehr dezent und fällt erst auf den zweiten Blick auf.
Outfit 2: Tweed für Stadt und Land
Outfit Nr. 2 war eine Spur lässiger. Im Zentrum stand eine jagdliche Vierknopfjacke. Der Stoff stammt aus Irland, es handelt sich um echten Tweed. Die Jacke ist innen mit einem sehr warmen Steppfutter ausgestattet. Außerdem hat sie Einschubtaschen, wie man sie als „Handwärmertaschen“ bei einer bestimmten Wachsjackenmarke kennt und liebt. Durch den Tweed und das Steppfutter ist diese Jacke natürlich etwas dicker. Allerdings hat man dennoch genügend Bewegungsfreiheit durch die Bewegungsfalten hinter den Ärmeln, bekannt als „action back“. Man kann die Jacke mit Hilfe eines Sturmriegels am Hals zuknöpfen.
An kalten Tagen erübrigt sich ein Mantel, wenn man einen Pullover unter der Jacke trägt. Wir haben uns für einen rundgestrickten Pullover in einem warmen Gelb entschieden. Er stammt aus einer traditionsreichen Manufaktur in Schottland, die das Produkt beginnend beim Garn vollständig im eigenen Haus fertigt. Gute, nicht zu enge Passform, sehr weiche Qualität mit dem typischen Duft schottischer Wollpullover. Bei dieser Kombination haben wir die Krawatte weggelassen, der Rundhalsausschnitt bringt den etwas höheren Hemdkragen sehr gut zur Geltung.
Wenn es milder wird, kann man die Jacke gut direkt über einem Hemd anziehen. Ich kenne diese Art von Jacke, im Winter ist sie sehr angenehm, vor allem, wenn man nicht gern auch noch eine Jacke oder einen Mantel dabei haben möchte. Mit Jeans wirkt sie sehr urban und lässig, sie ließe sich aber auch mit dunkelgrauen Flanellhosen „updressen“.
Fazit: Klassischer Look mit englischer Anmutung. Aber eben kontinentaleuropäisch umgesetzt. Also etwas raffinierter, im Detail schöner und von der Passform moderner. Wir hatten viel Spaß mit den Teilen. Für Freunde des Gentleman-Looks auf jeden Fall empfehlenswert.